Kritiker sehen gravierende Mängel
Von Klaus Nissen
Am 16. Dezember 2025 soll das Bad Vilbeler Parlament den Bebauungsplan für das Rechenzentrum zwischen dem Wohngebiet „Im Schleid“ und der B3 absegnen. Das Projekt wird wahrscheinlich vor demVerwaltungsgericht angefochten, deutete Werner Neumann vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) an. Es habe gravierende Mängel, meinten auch auch Vertreter der Bürgerinitiative „Rechenzentrum – Digitalisierung mit Augenmaß“ und der Lokalen Agenda Offenbach bei einer Online-Konferenz am 27. November 2025.
Klage gegen Rechenzentrum in Sicht
„Am Käferloch“ und „Drohnengewann“ heißt auf der Flurkarte der rund zehn Hektar große Acker an Nordrand von Bad Vilbel im Winkel der Bundesstraße 3 und der verlängerten Büdinger Straße . Einst wollte dort die Firma Segmüller ein Möbelhaus bauen. Das misslang. Nun plant das US-Unternehmen Vantage auf dem „Käferloch“ ein großes Rechenzentrum. Die Hülle soll 50 Meter hoch werden, die Computer darin ziehen bis zu 160 Megawatt Strom aus dem Netz.

„Wir sind nicht gegen Rechenzentren im Allgemeinen. Wir sind zu gemeinsamer Gestaltung bereit“, sagte Oliver Nowacki von der Bürgerinitiative vor 30 Online-Zuhörern. Doch leider sei bislang weder die Stadtverwaltung noch der Investor bereit, mit Umweltschützern und Anwohnern über die vielen Mängel des Projekts zu reden. „Daraus folgt, dass eine juristische Prüfung stattfinden muss“.
494 Seiten Anhörungs-Protokoll
Was alles problematisch ist, haben mehrere Bad Vilbeler und der BUND im Anhörungsverfahren zur fünften Änderung des Bebauungsplan von 2004 formuliert. Dessen Protokoll umfasst nicht weniger als 494 Seiten. Der Ortsbeirat Kernstadt wird sich am 8. Dezember 2025 ab 19 Uhr im Saal des Kurhauses damit befassen. Jeder kann zuhören – und wenn der Ortsbeirat zustimmt, auch Fragen stellen.
Der Bau- und Planungsausschuss debattiert am 9. Dezember öffentlich ab 19 Uhr im Rathaus-Sitzungssal über den Bebauungsplan. Die Stadtverordneten haben das letzte Wort am 16. Dezember. Wenn sie die Einwände des BUND – wie erwartet – zurückweisen, prüft der Umweltverband, ob er Klage erhebt. Vor Verwaltungsgerichten konnte er bereits den Bau des Rewe-Logistikzentrums bei Wölfersheim, des Amazon-Lagers bei Grund-Schwalheim und die Inbetriebnahme einer Logistikhalle in Hammersbach verzögern oder verhindern.

Die Hinweise diverser Behörden, Firmen und Bürger im Protokoll zum Rechenzentrumsprojekt enthalten einige Warnungen. So ist dort vermerkt, dass er keine Haftung übernommen wird, wenn Vögel von der künftigen 110-Kilovolt-Freileitung zum Rechenzentrum ihren Kot auf Spaziergänger fallen lassen.
Doch woher kommt der Strom? Wo die Leitung verläuft, sei noch völlig unklar, meinte Ingo Stürmer im Online-Chat. Er hat schon vor Jahren in einer Seckbacher Bürgerinitiative Erfahrungen mit dem Bau des dortigen Rechenzentrums gemacht. In Frankfurt gebe es etwa hundert davon. Im Ballungsraum verdoppele sich alle drei bis fünf Jahre der Strombedarf. „In fünf Jahren werden wir bei 2,2 Gigawatt angekommen sein – das entspricht der Leistung von zwei Kraftwerksblöcken. Die Energie, die wir benötigen, wird sich nicht anliefern lassen“, warnte Stürmer.
Bisher kein Konzept für die Abwärme
Er folgerte, dass Rechenzentrums-Betreiber den Strom mit kleineren Kraftwerken selber erzeugen werden. Befeuert mit fossilem Erdgas. Das wäre ein Verstoß gegen das Energie-Effizienzgesetz, sagte BUND- Vorstandsmitglied Werner Neumann aus Altenstadt.
Die Abwärme der Rechner müsste nach gesetzlichen Vorgaben beispielsweise zum Heizen von Wohnungen genutzt werden, ergänzte Neumann. Die Abwärmenutzung könnte eine Milliarde Kilowattstunden aus fossilen Wärmequellen einsparen – doch die Stadt Bad Vilbel habe kein Konzept dafür.

Der kommunale Wärmeplan sei in Arbeit, konterte die Stadtverwaltung im Anhörungsprotokoll. Im übrigen gehörten dieses und andere noch ungelösten Probleme des Rechenzentrums nicht ins Bauleitplan-Verfahren. Sie müssten später gelöst werden, wenn der Investor die Baugenehmigung beantragt.
Wasserverbrauch: 5800 Kubikmeter pro Jahr
Die Kritiker nannten am Donnerstag trotzdem weitere Sorgen. Es gebe nicht genug Wasser für die Kühlung der Rechner, meinte einer. Die Stadtverwaltung widerspricht im Protokoll: Dafür brauche man 5 885 Kubikmeter Trinkwasser pro Jahr, also nur 0,0025 Prozent des Vilbeler Gesamtverbrauchs.
Die Abgase der mindestens 80 Notstrom-Dieselmotoren würden in die Nachbarschaft wabern, mahnte eine Anwohnerin. Werner Neumann ergänzte: Die Diesel pusteten bei den regelmäßigen Probeläufen jährlich rund 500 Kilo Feinstaub in die Luft.