Baumschule wird Waldorfschule
von Klaus Nissen
Wo bisher junge Bäume gezogen werden, wachsen bald auch Menschenkinder ins Leben. Auf dem Areal der Gärtnerei Zumpe nördlich von Kloppenheim geht eine Waldorfschule in Betrieb. Am 18. August 2025 soll der erste Schultag sein. Bis es so weit ist, muss der Trägerverein noch Hürden überwinden.Karben bekommt eine Waldorfschule
Die Schule sollte längst in Betrieb sein. Für September 2023 plante der Bad Vilbeler Verein zur Pflege der Waldorfpädagogik die Eröffnung – doch die Aufstellung des Bebauungsplans verzögerte sich.

Erst zur Jahreswende 2024 auf 2025 gaben die Karbener Stadtverordneten grünes Licht. Nun steht ein Provisorium auf dem Gärtnerei-Gelände: Elf Container in zwei Reihen wurden in den Baumschulwald am Ostrand des Geländes gestellt, nördlich der Bundesstraße 3 am Rande Kloppenheims.
Das richtige Schulgebäude kommt später. Es wird ein eingeschossiger Holzbau in Wabenform sein, deutet Thomas Geller an. Bald wolle man den Bauantrag stellen, der Bau selber gehe dann flott voran.
Kita in Bad Vilbel ist die Keimzelle
Thomas Geller ist Geschäftsführer des seit 42 Jahren bestehenden Waldorfkindergartens am Berkersheimer Weg in Bad Vilbel. Dort werden etwa hundert Kinder ab dem zweiten Lebensjahr nach den Prinzipien der Waldorfpädagogik betreut. Viele von ihnen leben laut Geller in Karben. Wenn sie da eine eigene Waldorfschule bekommen, müssen sie bei Schulreife nicht mehr nach Frankfurt, Oberursel oder Bad Nauheim wechseln.

Maximal 24 Kinder der ersten Klasse ziehen laut Geller nach den Sommerferien 2025 in die Gärtnerei. Sie bekommen eine Lehr- und eine Unterstützungskraft. „Wir haben ein naturnahes Konzept, das sich von dem anderer Schulen unterscheidet.“ Sport, Gartenbau, Eurythmie und „Team-Teaching“gehörten dazu, so der Schul-Mitgründer.
Vor der Aufnahme in die erste Klasse soll es noch Interviews geben. Man wolle sichergehen, dass die Kinder schulreif sind und die Eltern bereit zu einer stärkeren Mitwirkung am Schul-Leben als in den staatlichen Bildungsinstituten.
Bevor es losgehen kann, steht auch ein Gespräch mit dem Schulaufsicht an. Der Trägerverein hat die Anerkennung der neuen Waldorfschule als „Ersatzschule“ beantragt. Sie wird noch geprüft, berichtet Simon Nebeling vom Staatlichen Schulamt in Bad Vilbel. Schulen in freier Trägerschaft erweiterten durch ihre Erziehungsformen und Unterrichtsgestaltung das Angebot. „Unser Amt steht geplanten Neugründungen daher grundsätzlich offen gegenüber und prüft eingehende Anträge wertschätzend entsprechend der rechtlichen Vorgaben.“
Am Ende soll es zehn Klassen geben
Wenn alles klappt, kommt dann in jedem Jahr eine weitere Klasse hinzu – bis zur zehnten. Dann ist mit 240 Kindern und Jugendlichen die Maximalgröße erreicht.
Sie wird letztlich wohl gebraucht, damit die – noch nicht bezifferte – Investition für den Bau und Betrieb der Waldorfschule tragbar ist. Der Trägerverein werde einen Bankkredit aufnehmen müssen, sagt Thomas Geller. Er sammle auch Spenden und werde von den Eltern eine niedrige dreistellige Summe an Schulgeld im Monat verlangen.

Das Land Hessen beteiligt sich erst ab dem vierten Jahr des Schulbetriebs an den Kosten. Die Höhe des Zuschusses wird nach dem „Ersatzschulfinanzierungsgesetz“ in einem komplizierten Verfahren errechnet. 2015 kostete ein Grundschüler das Land Hessen nach Angaben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) pro Monat 3926 Euro. Wenn Eltern mehr als 150 Euro an die Privatschule zahlen, dann sei die Schule in der Regel besser gestellt als eine staatliche Bildungsanstalt.
Die neue Waldorfschule soll am Ende über 4900 Quadratmeter verfügen – fast das ganze Gelände der jetzt noch geöffneten Gärtnerei Zumpe. In einigen Jahren behalten die bisherigen Eigentümer laut Bebauungsplan nur das Wohnhaus in der Nordostecke.
Vor der Schule liegt eine vierspurige Bundesstraße
Das Schulgelände mag idyllisch sein – die daran vorbei führende Bundesstraße 3 ist es nicht. Wohl kaum ein Elternpaar wird es riskieren, den eigenen Sprössling zu Fuß von der 200 Meter entfernten Bushaltestelle in Kloppenheim über die vierspurige Quasi-Autobahn zur Schule laufen zu lassen. Auf der vierspurigen B3 sind täglich etwa 34 000 Autos unterwegs, schreiben die Autoren der Verkehrsanalyse zum Bebauungsplan. Zur Schule kämen etwa 420 Autofahrten hinzu. Vor allem Elterntaxis. Auch wenn der Waldorfschulverein einen Schulbus zwischen Kloppenheim und Bad Vilbel einsetzt.
Das Schulgelände mag idyllisch sein – die daran vorbei führende Bundesstraße 3 ist es nicht. Wohl kaum ein Elternpaar wird es riskieren, den eigenen Sprössling zu Fuß von der 200 Meter entfernten Bushaltestelle in Kloppenheim über die vierspurige Quasi-Autobahn zur Schule laufen zu lassen. Auf der vierspurigen B3 sind täglich etwa 34 000 Autos unterwegs, schreiben die Autoren der Verkehrsanalyse zum Bebauungsplan. Zur Schule kämen etwa 420 Autofahrten hinzu. Vor allem Elterntaxis. Auch wenn der Waldorfschulverein einen Schulbus zwischen Kloppenheim und Bad Vilbel einsetzt.
Ein ganz anderes Schulkonzept
Jeden Mittwoch treffen sich die Aktiven des Vereins zur Pflege der Waldorfpädagogik. In Bad Vilbel betreiben sie schon eine Waldorf-Kita – nun planen sie die neue Schule in Kloppenheim. Bei den Treffen wird auch überlegt, was die Kinder und Jugendlichen dort lernen sollen, um die nächsten Jahrzehnte gut überstehen. Nötig ist ein völlig anderer Lernstoff als der an staatlichen Schulen, wenn man ValentinWember glaubt.

Der anthroposophische Waldorflehrer und Buchautor aus Tübingen gab rund 40 Zuhörern Ende Februar 2025 auf dem Dottenfelder Hof eine Ahnung davon. „In allen Schulsystem der Welt geht es nicht um das Wichtigste im Leben: gute zwischenmenschliche Beziehungen pflegen zu können.“ Der Staat trichtere der Jugend Erwachsenenwissen ein und ziehe Ingenieure heran. Dabei sei künstlerische und „Bewegungsintelligenz“ mindestens so wichtig wie rationales, logisches Denken, sagte Wember. Dem Kind werde dem Kind die Fähigkeit zum Staunen, zur Ehrfurcht und Dankbarkeit genommen. Die werde es in seinem Leben aber dringend brauchen.
„Als Lehrer musst du unter Beweis stellen, dass du eine Beziehung zu den Schülern aufbauen kannst“, sagte Wember. Die Lehrkraft müsse jedes Kind wahrnehmen. Und ihm dann mit „konzentrierter Sympathie“ helfen, einen eigenen Willen zu entwickeln. Am Ende der Schulzeit wisse dann jeder junge Mensch, was er mit seinem Leben anfangen will.