Märchenausstellung
Von Elfriede Maresch
Die Ausstellung „Die Märchenwelt der Brüder Grimm“ ist bis zum 6. April 2025 im Heimatmuseum Nidda zu sehen. Die Vereinsaktiven haben sich einiges einfallen lassen, um die Ausstellung für Groß und Klein interessant zu machen.17 Entdeckerstationen
Ein dicker blonder Zopf hängt vom Treppengeländer – wem gehört er? Auf einer Werkbank in der Handwerksabteilung liegen ein Rosenkranz, eine Spindel daneben. Genau hinschauen muss man im Kellergeschoss zwischen den mittelalterlichen Grabsteinen. In der Ecke ist ein Eselchen gerade seiner magischen Pflicht nachgekommen und hat Goldstücke um sich verstreut, daneben lehnt in einem Sack ein dicker Knüppel. „Wo das Wünschen noch geholfen hat“ – die uralte Märchenbeschwörung ist überall im Niddaer Heimatmuseum präsent.
Die Ausstellung „Die Märchenwelt der Brüder Grimm“ hat 17 Entdeckerstationen mit Märchenmotiven, die schlaue Kinder aufspüren können. Es gibt ein Beiprogramm, teils für Kinder, teils für Erwachsene. Auch ein Blick in den Saal des Museums mit der Ausstellung „Die Welt der Brüder Grimm“ lohnt sich. Bernhard Lauer, der Geschäftsführer der Brüder Grimm-Gesellschaft, hat die Präsentation für Nidda zusammengetragen, die durch Museumseigenes ergänzt ist: den Stammbaum der Familie Grimm, Lebens- und Werkdaten von Jakob und Ludwig einschließlich ihrer fast europaweiten Arbeitsvernetzung, Infotexte zu „Volksüberlieferung und Kunstform“, „Stilistische Bearbeitung und Volkssprache“. „Mündliche und schriftliche Quellen“ und mehr, dazu kleine Märchenfiguren und schöne alte Märchenbücher, meist illustriert. Zum besonderen Charme der Ausstellung, zum Einbeziehen des ganzen Hauses aber trugen die Insider aus dem Verein bei. Vom Spinnrad bis zum Knüppel aus dem Sack verdeutlichten sie Märchen mit Exponaten aus den Museumsbeständen oder aus Privatbesitz.
Träume im Diesseits
Für das Organisieren, Zusammenstellen, Aufbauen, Schmücken und Bewirten unter widrigen Winterbedingungen „mit Fieber, Schnupfen, steifem Hals und einem Sturz von der Leiter“ dankte bei der Eröffnung der Vorsitzende des Vereins Heimatmuseum Nidda,e.V. Martin Röhling. Zu danken hatte Röhling aber den örtlichen Sponsoren, dem städtischen Kulturmanagement, dem Lumos-Kino und Privatspendern. „Sammeln, Bewahren, aber auch Vorlesen, Erzählen, dazu Träumen und Lebenserfahrungen aufnehmen“ – einfühlsam ging dann Gunhild Richter vom Vorstand auf Präsentations- und Rezeptionsformen des Märchens ein. Geht es ausschließlich um „nationales Kulturgut“? Richter erwähnte Quellen aus anderen Ländern Europas im Mund-zu-Mund-Erzählstrang. Sie nannte italienische Märchensammler wie Straparola oder Basile, ähnlich motivierte Franzosen wie Charles Perrault. Deren Erzählmotive kamen über Nachfahrinnen hugenottischer Migranten, so der legendären Dorothea Viehmann, zu den Brüdern Grimm und wurden Teil einer der weltweit meistgelesenen Märchensammlungen. Vom „Greifbar-machen der Lebenswelt der Märchen“ und den 17 Entdeckungsstationen vom Museumskeller bis zum Dach, dem Finden eines Lösungswortes samt anschließender Belohnung für Kinder sprach Beate Harbich-Schönert. Sie wies auf das eindeutige Schwarz-Weiß-Schema der Märchen hin, aber auch auf die Sozialstruktur des frühen 19. Jahrhunderts, die strikte Ständegesellschaft, die zumindest den Ärmeren kaum Verbesserung ihrer sozialen Lage ermöglichte. So nannte die Sprecherin Märchen „Träume im Diesseits“.
Märchen in Mundart
Ein besonderes Märchen-Erlebnis boten die Erzählungen von Jürgen Piwowar. Aus Laubach-Wetterfeld stammend und mehr als drei Jahrzehnte als Lehrer in Berlin tätig, wurde er dort zum Mundartforscher und Autor von Märchennacherzählungen in hessischem Platt: „In Berlin trifft man alle möglichen Mundarten von Nord bis Süd“. Aus der Sicht des Mundartforschers wies er nach, dass Märchentitel wie „Häsichenbraut“ (doppelte Verkleinerung) oder „Die Rabe“ (weiblicher statt männlichem Artikel) eindeutige Charakteristika hessischer Mundarten sind. So geht er davon aus, dass solche Märchen dort erdacht werden. In Hochform erleben konnten ihn die Zuhörer beim freien Nacherzählen von „Deas Rommbealschdellsi“ (Rumpelstilzchen) und „Dei Rabe“ in der Mundart seines Heimatortes Laubach-Münster. Rumpelstilzchen-Sätze wie „Der Ferschd wolld des Weibsmensch gesehe“, als der König neugierig auf die schöne Müllerstochter ist, oder „Er wr aaner vo dene, wo ewich net genuch krieche kenne“, als das Mädchen dem König immer neue Strohberge zu Gold spinnen muss, amüsierten das Publikum. Piwowars Erzählweise gab den Märchen erdig-rustikalen Charme. „Dei Rabe“ verortete Pimowar sogar ausdrücklich in „Neid“ (Nidda) und „Mulstaa“ (Ulrichstein) und holte sich lebhaften Applaus. Dem Zitat der Grimms aus der ersten Ausgabe der Kinder- und Hausmärchen von 1812 können sich die Museums-Aktiven hundertprozentig anschlieén: „Es ist vielleicht gerade Zeit, diese Märchen festzuhalten, da diejenigen, die sie bewahren sollen, immer seltener werden.“
Die Ausstellung „Die Märchenwelt der Brüder Grimm“ ist bis zum 6. April im Heimatmuseum, Raun 1/Markt 1 in 63667 Nidda zu sehen. Die Museumsöffnungszeiten sind donnerstags von 15 Uhr bis 17.30 Uhr und sonntags (mit Märchenlesung) von 15 Uhr bis 17.30 Uhr, für Gruppen, Kindergärten und Schulen auch nach Vereinbarung. Kontakt: Tel.: 0172 6749468 und per E-Mail an museum-nidda@t-online.de. Im Museum gibt es zudem eine Märchenwerkstatt für Kinder am 10. und 26. Februar, am 10. und 26. März sowie am 2. April jeweils von 16 bis 17.30 Uhr. Geheimnisvolles steht dort im Mittelpunkt: Zauberhafte Schokolade, Schneewittchens Zwerge, Frau Holles Winterwelt, Schwert und Krone für den Prinzen, Schatzkästchen. „Tischlein deck dich“ als Gastspiel des Galli-Theaters Wiesbaden ist mit Musik am Sonntag, 9. Februar, um 16 Uhr im Parksaal Bad Salzhausen zu sehen. Am 22. März ist eine Tagesfahrt für Erwachsene von 8.30 bis 18.30 in die Grimm-Welt Kassel geplant. „Schneewittchen“ in einer neuen Disney-Version gibt es am Sonntag, 30. März, um 17 Uhr im Lumos-Kino. Neu im Niddaer Heimatmuseum ist ein besonderes Familienangebot: „Ach, wie gut, dass niemand weiß – Kindergeburtstag märchenhaft“ mit vielen Überraschungen kann dort gebucht werden.
Titelbild: In der Ausstellung kann man sich auch als Märchenfigur fotografieren lassen.