Tierischer Krimi

Der Biber und der Rote Boskopp

Von Corinna Willführ

Die Beute, die ein Castor felix jüngst auf einem frei zugänglichen Gelände des Nabu Ortenberg gemacht hat, ist monetär gering. Doch hat der streng unter Naturschutz stehende Biber für eine emotionale Erschütterung gesorgt. Sollte doch der „Rote Boskopp“, ein junger Apfelbaum, in Erinnerung an einen verstorbenen Freund den Bestand an Streuobstbäumen auf dem Gelände bereichern. Indes: Ein Biber hatte ihn über Nacht verschleppt.

Der junge Baum war plötzlich weg

Die jungen Triebe mögen dem Exemplar der größten europäischen Nager wohl als Nahrung gedient haben. Der junge Stamm, immerhin um die 2,50 Meter hoch gewachsen, als „Bauteil“ für einen Damm oder eine Burg der als für den Lebensraum Gewässer als „Schlüsselart“ geltenden Spezies.

Eine Biberrutsche an der Nidder bei Ortenber-Selters. (Foto: Willführ)

Der Platz für die Anpflanzung war ausgesucht, der Spaten stand bereit, um den jungen Baum, erstanden bei einer Sammelbestellung des Obst- und Gartenbauvereins Ortenberg, in die Erde zu bringen. Doch der Baum war weg. Eindeutig dagegen waren die Spuren, die vom Ablageplatz des Gewächses – der Wurzelballen war unter einem Laubhaufen versteckt – zum Ufer der nahe gelegenen Nidder führten. Dringend des Diebstahls verdächtig: einer der an der Nidder im Bereich Selters ansässigen Biber. Zumal sich in unmittelbarer Nähe weitere Hinweise auf dessen Anwesenheit ergaben: neun, wenige Zentimeter über dem Boden abgenagte junge Erlenstämme. Die vom Diebstahl Betroffene hat von einer Anzeige abgesehen, zumal der vermeintliche Räuber nachtaktiv ist und selten bei weiteren Vergehen auf frischer Tat ertappt werden dürfte.

Biber sind besonders geschützt

Eine nette Geschichte? Manchen hat sie schon zum Schmunzeln gebracht. Doch der Biber, lateinisch Castor felix, sorgt seit seiner Wiederansiedlung in den 1990er Jahren, vielerorts für Verdruss. Die bis zu 30 Kilogramm schweren Tiere gelten nach dem Bundesnaturschutzgesetz und den Richtlinien für Flora-Fauna-Habitat-Gebiete als besonders geschützt. So dürfen sie keinesfalls getötet werden. Noch dürfen die „Bauwerke“, ob Dämme oder Burgen, an und in Ufernähe der Gewässer, an denen diese siedeln, zerstört oder einfach entfernt werden.

Das sorgt für Ärger. So etwa in Bad Vilbel. In einer Pressemitteilung der Stadt von Anfang Dezember heißt es: „Ein aktiver Biber hat an mehreren Bäumen an der Nidda in Dortelweil für unwiederbringliche Schäden gesorgt. Der Nager machte sich an Bäumen im Uferbereich zu schaffen, die nun ein Sicherheitsrisiko für die umliegenden Bereiche sind. Da sich direkt hinter den Bäumen der Dortelweiler Sportplatz befindet, hat sich die Untere Naturschutzbehörde als zuständige Kreisbehörde gemeinsam mit dem Bewirtschafter des Uferbereichs, dem Wasserverband Nidda, entschieden, die Bäume zu fällen.“ Dies ist am 12. Dezember geschehen.

Auch aus dem Vogelsberg, etwa entlang des Altefeld-Baches bei Ilbeshausen sind Landwirte, die an das Gewässer angrenzende Äcker haben, ob der von dem Biber gestauten Wasserbereiche, verstimmt. Die Werke der „Landschaftsarchitekten“ dräuen oder haben es bereits getan: die an das Gewässer angrenzenden Ufer zu überfluten. Um deren Sorgen und Nöte und die Anliegen der Schützer des Castor felix abzuwägen, hat das Hessische Ministerium für Umwelt, Klimaschutz und Landwirtschaft Hessen Forst beauftragt, die Naturschutzbehörden beim Bibermanagement zu unterstützen.

Ein Freund hilft mit einem neuen Baum

Aktuelle Zahlen aus dem Ministerium: Danach gab es 2017 im Spessart – dem ursprünglichen Wiederansiedlungsgebiet des Castor felix – 77 Biberreviere. „Damit handelt es sich um die am stärksten vom Biber besiedelte Region in Hessen.“ In der Wetterau waren laut den Daten des Regierungspräsidiums Darmstadt in dieser Zeit „27 Reviere bekannt“. Aktuellere Verbreitungsdaten der Art in Hessen liegen derzeit nicht vor. Es wird allerdings „von einem weiteren Anstieg der Population ausgegangen“, ist auf der Homepage des Ministeriums im Dezember 2023 zu lesen.

Dank der Hilfe eines Freundes, der mehrere Bäume geordert hatte, gibt es nun auf einer Streuobstwiese oberhalb von Eckartsborn einen „Neuling“ unter den Anpflanzungen alter Apfelbaumsorten: einen „Kaiser Wilhelm“. Weit weg von einem Biber-Revier. Auch wenn es der verstorbene Freund mitnichten mit dem „Kaiser“ hatte, sondern eher ein „Roter“ war, dass es einen Baum zu seiner Erinnerung gibt, hätte ihn zu Lebzeiten gefreut. Hielt er es doch mit dem Spruch Luthers: „Und wenn morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch einen Apfelbaum pflanzen.

„Im Jahr 1596 wurde der letzte hessische Biber an der Gersprenz im Odenwald gesichtet. Die intensive Bejagung des größten europäischen Nagers sorgte dann vorerst für sein Verschwinden von der Landkarte. Ein Wiederansiedlungsprojekt in den späten 1980er Jahren ebnete den Boden für das Comeback des Auenarchitekten nach Hessen: Aus den anfänglichen 18 Pionierbibern im Spessart sind mittlerweile um die 1.000 hessische Genossen geworden, viele sind auch nach Unterfranken abgewandert. Erfolgreich verlief das Projekt vor allem, weil die Biber mit Gewässerentwicklungsstreifen einen freien Raum zur Gestaltung ihrer Lebensräume bekamen, Behörden das Projekt professionell begleiteten und ein Netz aus ehrenamtlichen Biberbetreuern für die Akzeptanz des Rückkehrers warb. Der Nabu Hessen richtet sein Biberengagement nach dieser Erfolgsstrategie aus. Quelle: hessen-nabu.de

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