Stockholm 1975

Terror in der Botschaft

von Michael Schlag

Stockholm, 24. April 1975: Terroristen der RAF (Rote Armee Fraktion) überfallen die deutsche Botschaft in Schweden und nehmen das Personal als Geiseln. Sie fordern die Freilassung von in Deutschland inhaftierten Gesinnungsgenossen. Zwölf Stunden lang hält die Geiselnahme Politik und Öffentlichkeit in Atem. Eine zweiteilige ZDF-Dokumentation blickt zurück auf diesen Tag vor 50 Jahren. Mit Originalaufnahmen aus der deutschen und schwedischen TV-Berichterstattung, Interviews mit Augenzeugen von damals und filmisch nachgestellten Vorgängen in der Botschaft.

Jede Stunde eine Geisel

Das sogenannte Kommando Holger Meins bestand aus sechs Terroristen. Ihr Ziel: die Freilassung von insgesamt 26 RAF-Mitgliedern aus deutschen Gefängnissen. Sie geben der Bundesregierung sechs Stunden Zeit, auf ihre Forderungen einzugehen – andernfalls werde stündlich eine Geisel erschossen. Die Dokumentation rekonstruiert Stunde um Stunde die Eskalation dieser Geiselnahme. Die brutale Entschlossenheit der Geiselnehmer, die Verzweiflung der Geiseln, und sie ordnet die politische Seite ein: die ideologischen Ursprünge der RAF, die Entwicklung der „zweiten Generation“, die Haltung der deutschen Regierung.

Botschaftssekretärin Gerda Boehringer als Geisel auf dem Boden (Spielszene)
Foto: ZDF © Nordic Eye Productions

Original Mitschnitte der Verhandlungen

Eine Besonderheit dieser Dokumentation: Die Telefongespräche zwischen den Entführern auf der einen Seite und Polizei, Politikern und Diplomaten auf der anderen Seite wurden damals aufgezeichnet. Die Autoren bekamen Zugang zu den Bändern und spielen Originalmitschnitte ab, teils filmisch nachgestellt. Diesen Verhandlungsverlauf – und die Folgen daraus – kommentiert anschließend ein heutiger Terrorismusexperte.

Folkmar Stoecker, Sohn des damaligen Botschafters, berichtet über seine Rolle bei den Verhandlungen mit den Terroristen. Foto: ZDF © LOOKS Filmproduktionen

Einzigartiger Einblick

Das ist Dokumentation vom Feinsten, sie geht über die bloße Darstellung der Vergangenheit hinaus, ordnet das Handeln der Personen sowohl im Licht der damaligen als auch der heutigen Zeit ein – und man versteht darüber, welche chaotischen Fehler in der Verhandlungsführung passierten. Das bietet tatsächlich, wie Arte schreibt, „einen einzigartigen Einblick in die Dramatik hinter den Kulissen“.

Das Ende: Bombenexplosion in der Botschaft, Verhaftung der Terroristen. Foto: ZDF © Imago/TT

Regie: Johanna Becker, Johannes Preuß, ZDF 2025

Titelbild: Die schwedische Polizei bereitet sich darauf vor, das Gebäude zu stürmen. Foto: ZDF © Imago/imagebroker

Die zweiteilige Dokumentation „Terror in der Botschaft“ ist online verfügbar in der Arte-Mediathek bis 02.11.2025. arte.tv/terror-in-der-botschaft-die-raf-geiselnahme-von-stockholm

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert