Amtsveterinäre berichten
Schweine auf der Autobahn, Kaninchen in vermüllter Wohnung, ein verhungerter Hund – krasse Geschichten müssen die Amtsveterinäre des Wetteraukreises in ihrem Jahresbericht für 2014 erzählen. Sie sprechen auch von Anfeindungen durch radikale, schlecht informierte Tierschützer. Zum Beispiel in Sachen der Elefantendame Mausi.
Pöbelnde Tierschützer
Das Wohl von etwa 200 000 Tieren müssen die fünf Amts-Tierärzte des Staatlichen Veterinäramtes an der Ockstädter Straße in Friedberg im Auge haben. Keine leichte Aufgabe, berichtet Amtsleiter Dr. Rudolf Müller in seinem Bericht für das Jahr 2014. Oft geht es nicht nur den Tieren, sondern auch ihren Besitzern schlecht. Die Mitarbeiter des Tierschutzes waren laut Müller häufig mit Personen konfrontiert, die ihrer Lebenssituation nicht mehr gewachsen waren.
Bei 590 Überprüfungen stellte man einige drastische Missstände fest. Man verhängte in 35 Fällen Geldbußen bis zu 1000 Euro und setzte zwei Strafverfahren in Gang. Auch bei der Aufdeckung der illegalen Tierversuche am Max-Planck-Institut in Bad Nauheim waren die Veterinäre beteiligt. Dass das Strafverfahren gegen Zahlung von 72 000 Euro eingestellt wurde, nennt Chefveterinär Rudolf Möller eine „nicht nachvollziehbare Entscheidung“.
Notschlachtung auf der Autobahn
Es gab viel zu tun. Hier einige Beispiele: Im September 2014 verunglückte auf der A45 bei Wölfersheim ein Lastwagen mit 193 Schweinen an Bord. Der dreistöckige Transporter lag auf der Seite und war zum Teil on den Leitplanken des Mittelstreifens aufgespießt. Die Polizei musste einige freilaufende Schweine wegen Verkehrsgefährdung erschießen. Im Mittelstreifen und am Randstreifen hatten sich unter Schock stehende und verletzte Schweine im Gebüsch verkrochen. Sie wurden betäubt und getötet. Die im Anhänger eingeschlossenen Schweine litten Qualen, da sie in drei bis vier Schichten übereinander lagen. Nur 112 Tiere überlebten – aber nur einen Tag lang. Statt nach Italien brachte man sie nach Mannheim in den Schlachthof.
In Florstadt wurden die Veterinäre 2014 auf eine nicht ausreichend gefütterte vierjährige Schäferhündin aufmerksam. Die Halterin hatte sie vernachlässigt. Man nahm ihr das Tier weg, doch die Hündin starb noch in der folgenden Nacht. Die Halterin musste eine Geldstrafe zahlen und darf fünf Jahre lang kein Tier mehr aufnehmen.
Der Kuh war ein Horn abgerissen worden
Bei der Kontrolle eines Milchviehbetriebes wurden massive Mängel festgestellt. Die Mehrzahl der Rinder brüllte auffällig laut. Eine von fünf Kühnen lag auf den Spalten des Laufstallbereiches fest. Das rechte Horn war abgerissen und die Stirnhöhle frei gelegt. Die Wunde war mit Kot verunreinigt. Das Tier musste eingeschläfert werden. Der Landwirt soll ein Bußgeld zahlen. Ein anderer Landwirt hatte laut Bericht zwei Bullen so eng angekettet, dass die Ketten in die Nacken eingewachsen waren.
In einem anderen Fall mussten die Kontrolleure sich den Zugang in die Wohnung einer jungen Frau erzwingen. Ihre Wohnung stark mit Kot verunreinigt. Kleidung und Alltagsgegenstände lagen umher. Mitten in dem Unrat von alten Plastikflaschen und Müll befand sich ein Kaninchen. Es war abgemagert und verschmutzt. Seine Krallen waren viel zu lang gewachsen. Das Tier wurde beschlagnahmt. Der zur Betreuung der jungen Frau gerufene Krankenwagen brachte sie zur Abklärung des physischen und psychischen Zustandes ins Krankenhaus.
Diversen Augenzeugen zufolge warf ein Hundehalter bei einer Veranstaltung eines Autohauses seinen Terrier gegen eine Schaufensterscheibe. Nach dem Vorfall verließ der Hundehalter den Ort des Geschehens, konnte aber ausfindig gemacht werden. Der Fall wurde an die Staatsanwaltschaft abgegeben.
Manche Anzeigen aus der Bevölkerung laufen aber ins Leere, so die Veterinäre. Eine Frau hatte gemeldet, dass drei Hunde in ihrer Umgebung mit Bier und starken Drogen traktiert worden seien. Im Verlauf der Kontrolle stellten sich die vermeintlichen Drogen als Bachblüten-Mischungen und Bierhefe-Extrakt heraus. Die Tiere waren in homöopathischer Behandlung und erfreuten sich bester Gesundheit.
Aggressive Tierschützer
Es gab 2014 öfter Anlass für die Veterinäre, sich über das Verhalten selbsternannter Tierschützer zu ärgern. Immer häufiger gab es laut Müller Anzeigen „sogenannter Tierschützer und sogenannter Tierschutz- oder Tierrechtsorganisationen häufen, die jegliche Sachkenntnis vermissen lassen, die fachlichen Argumenten sowie ausführliche Erklärungen der Mitarbeiter des Veterinäramtes nicht akzeptieren und die die Mitarbeiter aufs schlimmste beschimpfen oder sogar massivst bedrohen.“ Menschliche Bedürfnisse würden dabei mit dem der Tiere gleichgesetzt. Dies sei aber ein großer Irrtum, findet Amtsleiter Müller: „Wenn sogenannte Tierschützer ihre Freude darüber äußern, dass ein Bulle einen Landwirt erdrückt hat und hoffen, dass das Rind noch mehr seiner „Peiniger“ töten möge so hat das nichts mit Tierschutz zu tun sondern ist unzweifelhaft indiskutabel.“
Auch Organisationen, die sich für die Rettung der Ratten in der Kanalisation stark machen und die „Menschenrechte für Menschenaffen“ einfordern, sind für Müller fehlgeleitete Tierschützer.
Besondere Aufmerksamkeit zog auch im Jahr 2014 wieder der in Ockstadt sitzende Zirkus „Universal Renz“ mit seinen beiden afrikanischen Elefanten „Mausi“ und „Baby“ auf sich. Ein als Gutachter eingesetzter Fachtierarzt für Zoo- und Wildtiere bescheinigte dem Zirkus eine gute Haltung der großen Tiere. „Trotzdem fanden unsachliche Anfeindungen und teilweise massive Drohungen gegen Dr. Müller kein Ende“, heißt es im Jahresbericht der Behörde. Im Dezember 2014 wurde die Elefantenhaltung vom Betreiber des Zirkusunternehmens aufgegeben. Die beiden schon älteren afrikanischen Elefantendamen leben nun im Safariparks in Stukenbrock in Nordrhein-Westfalen.
Der komplette Tierschutzbericht des Wetteraukreises steht hier: