HLT-Präsidentin nimmt Stellung
Die Gießener Landrätin Anita Schneider weist in ihrer Funktion als Präsidentin des Hessischen Landkreistages (HLT) die Kritik der Kranken- und Ersatzkassen an der Struktur des Rettungsdienstes und der Leitstellen in Hessen zurück. Die Verbände der Kranken- und Ersatzkassen (VDEK) hatten am 8. Juli 2025 einen Prüfbericht presseöffentlich vorgestellt, der unter anderem Doppelstrukturen im Leitstellenwesen sowie eine fehlende Steuerung der Patientinnen und Patienten in die passende Versorgungsform kritisierte.Resümee von Anita Schneider
Wie die Pressestelle des Landkreises Gießen schreibt, nahm dazu Landrätin Schneider stellvertretend für die 21 hessischen Landkreise Stellung: „In der Pressekonferenz der Verbände der Krankenkassen und der Ersatzkassen in Hessen wurde ein Prüfbericht vorgestellt, bei dessen Erstellung weder die kommunalen Träger noch die Leitstellen beteiligt worden sind. Bei den wieder einmal ins Gespräch gebrachten zentralisierten Call-Centern würde jegliche Ortsnähe fehlen. Dort müsste aus der Ferne reagiert werden, ohne dass die Situation vor Ort häufig nicht angemessen beurteilt werden kann. Dies kann nicht im Interesse der Menschen vor Ort sein.“
Auch der Landesfeuerwehrverband Hessen hat die bestehende Leitstellenstruktur verteidigt: Eine Zentralisierung der Leitstellen berge Risiken, ohne einen belegbaren Mehrwert zu bewirken. Insbesondere Ortskenntnis und Nähe trügen dazu bei, Zeit zu sparen und dadurch Leben zu retten.

„Ortsnahe Hilfe ist notwendig“
HLT-Präsidentin Schneider erklärte, in Hessen würden für sechs Millionen Menschen die auf der Notrufnummer 112 eingehenden Notrufe automatisch auf die insgesamt 25 Zentralen Integrierten Leitstellen der Landkreise und kreisfreien Städte umgeleitet. „Die Hilfesuchenden erhalten so direkten telefonischen Kontakt mit qualifizierten Einsatzbearbeiterinnen und Einsatzbearbeitern. Diese verfügen über Ortskenntnisse sowie das Wissen und die Kompetenz, den sich oftmals in einer Notsituation befindenden und folglich aufgeregten Menschen schnell und umfassend helfen zu können. Hierbei ist es unerheblich, ob es sich beispielsweise um einen gesundheitlichen Notfall in der Familie, einen Verkehrsunfall, einen Schaden aufgrund eines Sturmes oder um einen Wohnungsbrand handelt: Die Zentralen Leitstellen koordinieren schnell und umfassend die notwendigen Hilfen in den Bereichen des Rettungsdienstes, der Feuerwehr und des Katastrophenschutzes.“
„Virtuelle Leitstelle Hessens“
Die Leitstellentechnik in Hessen gewährleiste bereits heute den Austausch der 25 Leitstellen untereinander. Ebenfalls ist gewährleistet, dass bei Ausfall einzelner Leitstellen eine Übernahme durch eine definierte Partnerleitstelle erfolgt. Im täglichen Einsatzgeschehen werde bei Bedarf, etwa bei einer starken Inanspruchnahme einer Leitstelle, im Hintergrund bei benachbarten Leitstellen das erforderliche Rettungsmittel über die Kreisgrenzen hinaus angefordert und dem Patienten schnellstmögliche Hilfe zuteil, sagte Schneider. „Dadurch tragen die hessischen Landkreise tagtäglich ihrem Sicherstellungsauftrag auch über die Kreisgrenzen hinaus Rechnung. Hier kann man durchaus von einer virtuellen Leitstelle Hessens sprechen.“
Darüber hinaus nähmen die Landkreise auch weitere Ansätze in der Versorgung von Notfällen wahr, um die Steuerung von Patienten in die passende Versorgung zu optimieren. Mehrere hessische Landkreise, darunter auch der Landkreis Gießen, nehmen am gemeinsamen Modellprojekt „Sektorenübergreifende ambulanten Notfallversorgung (SaN)“ teil, das gemeinsam mit dem Land Hessen, der Krankenhausgesellschaft und der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (KVH) umgesetzt wird. Dabei werden Notfallpatienten, die eine dringende Behandlung benötigen, aber nicht zwingend in ein Krankenhaus eingeliefert werden müssen, vom Rettungsdienst in eine ans Projekt angeschlossene Arztpraxis gebracht. Dazu sind die beteiligten Arztpraxen in das Meldesystem „Ivena“ eingebunden, über das auch Krankenhäuser ihre Kapazitäten übermitteln.
„Schnelle Reaktion auf die Notrufe“
Gerade in Hinblick auf mögliche zukünftige Bedrohungs- und Konfliktlagen im Bereich der Zivilverteidigung habe die aktuelle Struktur einen wesentlichen Vorteil gegenüber der von den Kassen bevorzugten Bündelung in lediglich sechs Leitstellen in Hessen, erklärte Landrätin Schneider. „Eine dezentrale Verteilung der Leitstellen ist widerstandsfähiger und folglich resilienter als eine Konzentration in einigen wenigen Zentralen und gewährleistet auch in Krisenfällen – wie bereits bewältigten Großschadenslagen wie Hochwasser und Waldbrände belegen – die Aufrechterhaltung dieser wichtigen Infrastruktur.“
Die Zentralen Leitstellen der Landkreise und kreisfreien Städte in Hessen seien deshalb unverzichtbar für den Schutz der Bevölkerung in Hessen. Allein durch die Bündelung der Kenntnisse und der Fachkompetenzen aller drei Bereiche der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr werde eine schnelle Reaktion auf die Notrufe aus der Bevölkerung gewährleistet. „Letztendlich würde eine Zentralisierung in diesem Bereich auch die ehrenamtlichen Strukturen beim Rettungsdienst, den Feuerwehren und dem Katastrophenschutz auf kommunaler Ebene gefährden“, sagte Schneider.
· Die vollständige Pressemitteilung des Hessischen Landkreistages ist zu finden unter https://www.hlt.de/
· Die vollständige Pressemitteilung des Hessischen Landesfeuerwehrverbandes ist zu finden unter https://www.feuerwehr-hessen.de/
