Trockentoiletten

Klimawandel bis ins Badezimmer

Von Klaus Nissen

Etwa 120 Liter Trinkwasser verbraucht jeder Mensch pro Tag. Allein 40 Liter spült er die Toilette hinunter. Das können wir uns bald nicht mehr leisten, sagt der Erfinder Theo Pauly. Auch Ovag-Chef Joachim Arnold sieht Vorteile darin, den Toilettengang künftig anders zu organisieren. Und die Stadt Münzenberg wird dabei Vorreiterin.

Zukunft gehört den Trockentoiletten

Selbst auf unsere intimsten Alltagsroutinen wirken sich die künftigen Dürreperioden und Rohstoff-Knappheiten aus. Wir müssen uns wohl von der Spültoilette verabschieden, lautet die Botschaft eines denkwürdigen Informationsabends im Wasserwerk Inheiden. Unsere Stoffwechselprodukte sind sind viel zu wertvoll für die Kläranlage, meinten am Donnerstag nicht nur die Umweltschützer vom BUND. Sondern auch ein Erfinder, eine Bürgermeisterin und der Chef des Energie- und Wasserversorgers Ovag.

Ein Glas mit kompostierten menschlichen Hinterlassenschaften brachte der Trockentoiletten-Efinder Theo Pauly seinen Zuhörern mit. Die meisten gaben es schnell weiter. Manche trauten sich, daran zu schnüffeln. Und rochen nichts. Foto: Nissen

Mit den Fäkalien spülen wir Phosphor in die Flüsse, beklagte der Rockenberger Theo Pauly. Dabei sei der für unsere Ernährung lebenswichtige Stoff endlich. In den weltweit nur acht Abbau-Regionen gehen die Vorräte ab 2040 zur Neige, so Pauly.

Knapp 1,8 Millionen Tonnen Klärschlamm fallen ihm zufolge jährlich in den deutschen Kläranlagen an. Sie werden teils verbrannt – aber das verschwende wertvolle Energie. Oder auf die Äcker verteilt. Das sei aber künftig verboten, weil damit Arznei-Rückstände und Giftstoffe in die Umwelt gelangen.

Auf Dauer reicht das Wasser nicht

Auch die begrenzte Verfügbarkeit von Trinkwasser spricht für das Ausrangieren der Spültoilette. In kommenden Dürresommern muss die Ovag weniger aus ihren 22 Brunnen holen, wenn die Mindest-Grundwasserstände unterschritten sind. Das sagte der Ovag-Vorsitzende Joachim Arnold vor gut 50 Zuhörern im Wasserwerk. Pro Jahr pumpt die Ovag 32,76 Millionen Kubikmeter in die bis zu 1,2 Meter dicken Wasserleitungen. Die Frankfurter verbrauchen davon 18,4 Millionen Kubikmeter, die Wetterauer 10,7. Der Rest fließt in den Hochtaunus- und den Main-Kinzig-Kreis. Die Vogelsberger haben eigene Brunnen.

Theo Pauly aus Rockenberg war Umweltberater. Auch als Rentner treibt ihn um, dass wertvolles Trinkwasser in der Toilette landet. Und arbeitet an einer Alternative. Foto: Nissen

Zum Spültoilette gibt es eine genauso komfortable Alternative, behauptet Theo Pauly. Auf der Architekturbiennale in Venedig war jüngst die von ihm patentierte Trockentoilette aus Keramik zu sehen. In Neubauten sei das wasserlose System leicht installierbar, so Pauly. Sobald man den Deckel öffnet, zieht ein Gebläse mögliche Gerüche ab. Urin und Fäzes (die festen Bestandteile) fließen durch zwei getrennte Löcher ab. Die Fallrohre enden im Keller oder hinterm Haus in zwei Sammelbehältern.

„Wie lässt sich die Toilettenschüssel sauber halten?“ fragte eine Zuhörerin. „Sie können sie bei Bedarf einfach feucht wischen“, antwortete der Erfinder. Vor dem Defäkieren setze man eine kompostierbare Tüte ein. Die nimmt auch das Toilettenpapier auf.

Urin wird Flüssigdünger

Der Urin lässt sich zu einem stickstoff- und phosphorreichen Flüssigdünger verarbeiten – der ist in Deutschland aber nur als Nahrung für Zierpflanzen zugelassen. In der Schweiz dürfe man damit auch Gemüse düngen, sagte Pauly und reichte eine bunt etikettierte Plastikflasche ins Publikum. Manche schnüffelten – und rochen nichts.

Münzenbergs Bürgermeisterin Isabell Tammer will Theo Paulys Trockentoiletten an außerhalb liegenden Friedhöfen installieren. So könnte sich die Kommune den Kanalbau ersparen. Foto: Nissen

Was passiert mit der Fäzes? Noch würde kein Entsorger die Tonnen mit dem braunen Inhalt holen. Versuchsweise kompostiert die Berliner Firma „Finizio“ laut Pauly die menschlichen Hinterlassenschaften in der Kläranlage Eberswalde. Dabei erhitzten die Bakterien sie auf 70 Grad – das vernichte Hormone und Medikamenten-Rückstände. Man könne die Fäzes auch unter Luftabschluss und Hitze zu Biokohle machen – beides wäre ein sauberer, im Lande produzierter Dünger für unsere Äcker. Man müsse das Verfahren nur gesetzlich erlauben. Und dann die Ilbenstädter Kompostanlage umbauen.

Münzenbergs Bürgermeisterin Isabell Tammer will einen Anfang machen. Sie bot dem Erfinder aus Rockenberg am Donnerstag ein Pilotprojekt an. Die Stadt wolle Toiletten für die Friedhofsbesucher in den kleineren Stadtteilen bauen. Dort könne man sich mit Paulys Trockentoiletten den Bau der Abwasserleitungen sparen. „Das wäre charmant.“

Umstellung auf Trockentoiletten bringt Milliarden-Umsätze

Die Zukunftsvision des 68-jährigen Theo Pauly kennt nur Gewinner, vermuten auch Peter Hünner und Diethardt Stamm von den gastgebenden BUND-Ortsvereinen Rockenberg, Münzenberg und Butzbach. Die Sanitärkeramik-Branche würde Milliardenumsätze mit den neuartigen Trockentoiletten machen. Papierfabriken wie die in Ober-Schmitten wären als Produzenten von Fäzes-Tüten dauerhaft vor Insolvenz geschützt.

Meterdick sind die blau gestrichenen Leitungen im Ovag-Wasserwerk Inheiden. Die Halle enthält auch einen 30 Tonnen schweren Schiffsdiesel mit 2400 Kilowatt Leistung. Der drückt das Trinkwasser in die Fernleitungen, falls einmal der Strom ausfallen sollte.
Der Ovag-Vorsitzende Joachim Arnold hat Sympathien für den Vorschlag des Erfinders Theo Pauly, Spültoiletten durch Trockenklos zu ersetzen. Die Ovag würde zwar weniger Wasser absetzen, doch das sei ohnehin kostenlos. Bezahlt werde nur die Aufbereitung und der Transport des Wassers. Foto: Nissen

Die Kläranlagen müssten nicht mehr teuer mit immer neuen Reinigungsstufen aufgerüstet werden. Das Abwasser würde durch den höheren Anteil des Dusch- und Waschwassers wärmer. Das macht Wärmetauscher zum Heizen effektiver, so Theo Pauly. Und weil die Ovag dann bis zu 30 Prozent weniger Wasser aus ihren Brunnen holen muss, wären wir ohne Spültoiletten besser auf Trockenperioden vorbereitet. Die Verbraucher bekämen für den Verzicht auf die Spültaste eine niederigere Wasserrechnung.

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