Wirtschaftsförderung

Ein Team für Karben

Von Klaus Nissen

Um Arbeitsplätze und Steuereinnahmen zu behalten, werben Kommunen intensiv um ansässige und neue Unternehmen. Sie setzen Wirtschaftsförderer ein – beispielsweise ein ungewöhnliches Team in Karben.

Ein alter Hase und eine kreative Frau

Satte 40 Jahre beträgt der Altersunterschied zwischen Carolin Beck und Otmar Stein. Trotzdem arbeiten die beiden seit Juli 2023 eng zusammen als Wirtschaftsförderer. Ihre Kreativität und seine Erfahrung sollen künftig noch mehr Unternehmen nach Karben locken. Und die Stadt damit attraktiver und reicher machen.

Otmar Stein ist seit vielen Jahren ehrenamtlicher Wirtschaftsförderer in Karben. Der ehemalige Erste Stadtrat hat zum Beispiel den Okärber Spitzacker für neue Unternehmen bereitgestellt und das Karbener Bahnhofsareal mit Läden und Dienstleistern belebt. Jetzt kommt Carolin Beck als hauptamtliche Wirtschaftsförderin hinzu. Foto: Nissen

Wer Otmar Stein zum ersten Mal im Zimmer 108 des Rathauses besucht, muss sich auf einen festen Händedruck gefasst machen. Intensiv mustert der groß gewachsene, grauhaarige Mann sein Gegenüber. Er hat Übung darin, Menschen und ihre Substanz einzuschätzen.

Viele Jahre war der Klein-Kärber Vorstand beim Büromöbelhersteller König + Neurath. Ehrenamtlich wirkte CDU-Mitglied Stein parallel dazu im Magistrat. Bis 2017 vertrat er als Erster Stadtrat den Bürgermeister Guido Rahn, wenn der im Urlaub war. Schon 2010 wurde Stein zusätzlich Vize-Aufsichtsratschef der städtischen Wohnungsbaugesellschaft. Und Wirtschaftsförderer der Stadt Karben. Das ist er immer noch. Und bekommt nun Verstärkung.

700 Firmen in Karben beschäftigen 7835 Menschen

Carolin Beck, die Neue im Zimmer 108, soll Otmar Stein keineswegs ablösen. Er sei ja erst 82, meint Stein. „Auf der Parkbank sitzen kann ich, wenn ich neunzig bin.“ Carolin Beck ist seit 1. Juli die erste hauptamtliche Wirtschaftsförderin der Stadt. Zusammen mit Stein kümmert bildet sie die zunehmend als wichtig erachtete Kontaktstelle zwischen der Stadtverwaltung und den gut 700 aktiven Firmen in Karben. Letztere geben 7835 Menschen Arbeit und zahlen an die Stadt pro Jahr zwischen acht und neun Millionen Euro Gewerbesteuer.

Im neuen Team wird Otmar Stein weiter für die Kontaktpflege zu den großen Firmen und Neuansiedlung von Unternehmen zuständig sein. Carolin Beck baut derweil eine Firmendatenbank im Rathaus auf und organisiert einen ständigen Kontakt zwischen der Verwaltung und den Unternehmen. Zusammen mit Otmar Stein und Guido Rahn besucht sie allmonatlich wichtige Unternehmen, kümmert sich um den Tausch von Firmenarealen und versucht, Fachkräfte und Azubis nach Karben zu locken. Ende Oktober organisierte Carolin Beck das erste Karbener Unternehmerforum, bei dem sich viele Geschäftsleute zum ersten Mal trafen und miteinander sprachen. So etwas soll es nun jedes Jahr geben.

„Alles tun, um die Unternehmen hier zu halten“

„Wir müssen alles tun, um die Unternehmen hier zu halten“, sagt die Roggauerin. Als sie 1981 geboren wurde, rückte ihr Teampartner Otmar Stein übrigens zum ersten Mal in den Magistrat ein. Carolin Beck machte nach der Schule eine Verwaltungslehre im Rathaus und bei den Stadtwerken. Und weil ihre Tatkraft den Chefs gefiel, durfte sie die Sanierung des Karbener Hallenbades begleiten. „Ich habe die Farben und die Fliesen ausgesucht“, sagt Beck. Seit der Neueröffnung im Jahre 2014 leitete sie das zehnköpfige Hallenbad-Team.

Und nun die neue Herausforderung als Wirtschaftsförderin. Für die kreative Frau aus Burggräfenrode und den Routinier aus Klein-Karben besteht sie auch darin, für die Zukunft genug Gewerbeflächen in Karben zu entwickeln. Denn die sind und bleiben knapp. Mehr über die großen Zukunftsprojekte in der Infobox.

Was machen Beck und Stein jenseits der Arbeit? Sie sei keine passionierte Schwimmerin, bekennt die frühere Hallenbad-Leiterin. Lieber jogge sie an der Nidda entlang. Oder mache Yoga. Otmar Stein sagt, er habe keine Zeit für ausgeprägte Hobbys. „Aber eine Skatrunde gönne ich mir hin und wieder schon.“

Wo in Karben noch gebaut werden kann

Erst 50 Jahre nach ihrer Gründung bekommt die Stadt Karben allmählich eine Stadtmitte. Sie wächst zwischen dem Bahnhof, dem Taunusbrunnen und dem Bürgerzentrum. Gut 20 Hektar kann und will die städtische Wohnungsbaugesellschaft dort noch bebauen. Unter anderem soll da die mit dem Denn-Biomarkt beginnende Ladenzeile entlang der Bahnhofstraße über die Frankfurter Volksbank hinaus bis zur Brunnenstraße verlängert werden. Die Wirtschaftsförderer suchen nach Interessenten. „Auch wenn wir wissen“, sagt Carolin Beck, „dass Ladenzeilen nicht einfach zu vermieten sind.“

Auf diesen Distelacker im Winkel zwischen der B3 und der nach Karben führenden L3205 nördlichen von Kloppenheim soll das Rewe-Center umziehen. Der Supermarkt und sein riesiger Parkplatz weichen danach dem Gewerbegebiet „Warthweg“. Foto: Nissen

Viel stärker sei die Nachfrage für das neue Gewerbegebiet „Warthweg“ im Winkel zwischen der B3 und der Nordumgehung. Der dortige Rewe-Markt (früher Toom) soll in den Winkel zwischen der Bundesstraße und verlängerten Bahnhofstraße rücken. Der Bebauungsplan ist in der Offenlage. Für den Sommer 2024 hofft auf Otmar Stein auf den Beginn der Erschließungsarbeiten. Hinter dem alten Supermarkt haben Bagger die Erde für die nächsten Sondierungen der Archäologen abgeschabt. Für das neue Gewerbegebiet „haben wir schon eine ganze Reihe von Bewerbungen“, sagt Otmar Stein. Ein Investor würde zum Beispiel gern eine „Werk-Stadt“ bauen – eine Art Gewerbehof, in dem Startup-Gründer, Handwerker oder Ärzte sich auf jeweils 100 bis 300 Quadratmetern niederlassen könnten.

Vorerst ist kein weiteres Gewerbeland in Sicht

Nach dem Warthweg wird es lange kein neues Gewerbegebiet mehr geben. Irgendwann entsteht eins vielleicht auf den Äckern zwischen dem Berufsbildungswerk und der „Pflanzengalerie“ an der Obererlenbacher Straße. Aber vorher muss die seit Jahrzehnten erwartete Strecken-Neuplanung für die B3 durch Hessen-Mobil abgewartet werden. Deshalb kommt dieses Areal nach Otmar Steins Einschätzung nicht in den für 2024 erwarteten Entwurf des neuen Regionalen Flächennutzungsplanes.

Bliebe noch das rund 15 Hektar große Gelände der früheren VDO-Werke und jetzigen Conti-Niederlassung an der Dieselstraße. Die dortige Automotive-Sparte will der Konzern im Jahr 2025 abziehen. Stein und Beck finden es wichtig, dass die dortigen Montagehallen dann von anderen Firmen genutzt werden. Man wisse aber noch nicht, was die Conti-Geschäftsleitung mit dem Areal vorhat. Das Gelände brachliegen zu lassen, wäre teuer. Ein Quadratmeter Gewerbeland ist in Karben derzeit etwa 240 Euro wert, sagt Otmar stein.

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