Café geplant
Von Corinna Willführ
Als Oliver Hitzel 2015 das Anwesen in der Hauptstraße 44 im Ortenberger Ortsteil Selters erwarb, wusste er nicht um die Bedeutung des Mannes, der das „Steinerne Haus“ erbaut hatte. Nach dem Einzug entdeckte der heute 61-Jährige im Kellergewölbe des Hauptgebäudes in einem der Sandsteine den gemeißelten Namenszug: „Dr. Heldmann“, darunter die Jahreszahl 1837.Das einstige Haus von Christian Heldmann
Als Projektmanager, der sich zur Aufgabe gemacht hat, alte Gebäude zu sanieren, begann der Bauingenieur zu recherchieren – und die Historie mit der Gegenwart zu verbinden. Auch wenn er seine Pläne, im Erdgeschoss des Hauses ein Café/Bistro zu eröffnen, wegen der Corona-Pandemie auf Eis legen musste, vergessen sind sie nicht. In Parterre des zweistöckigen Hauses unterhielt der Politiker, Landwirt und Arzt Dr. Christian Heldmann seine Praxis. Die Stockwerke darüber bewohnte er mit seiner Frau und den zwölf Kindern. Derzeit sammelt Oliver Hitzel bereits Mobiliar für sein Projekt – und der Name für das Lokal steht auch schon fest: „Heldmanns“.
Seit 1837 steht das Gebäude an der Stelle einer alten Hofreite, die der damalige Neubürger von Selters hatte abreißen lassen, um eine „ganz neue Wohnung von Stein, Stallungen, Waschhaus nebst Holzschuppen“ zu errichten. Dazu kam noch eine von seinem Schwiegervater Heinrich Hild I. früher erbaute „Scheuer mit zwei gewölbten Kellern“. Die Scheune ist heute zum Wohnhaus der Familie Hitzel umgebaut. Auf dem Grundstück der einstigen Remise sind ebenfalls Wohnungen entstanden. Nach dem Tod des Erbauers befand sich das Anwesen noch Jahrzehnte im Familienbesitz der Heldmanns. 1925 kaufte es der Landwirt Herrmann Bender aus Hungen. Er betrieb dort eine Colonial-Eisen- & Baumaterialienhandlung.
Im Ort als Bender-Haus bekannt
Bis heute ist das Gebäude im Ort als „Bender-Haus“ bekannt. Die Nutzung des Wohnhauses hat danach eine wechselvolle Geschichte erfahren. So war das Erdgeschoss über die Jahrzehnte Gaststätte, Post (blechernes Hinweisschild: Öffentlicher Fernsprecher noch im Hof), Zahlstelle für die Kunden der benachbarten Tankstelle, Nagelstudio.
Die Zeit von Oliver Hitzel ist eng bemessen. Denn wenige Häuser weiter läuft derzeit der Umbau eines weiteren Hauses in der Selteser Hauptstraße. Noch in diesem Sommer sollen vier Gästezimmer für Urlauber ausgestattet sein. Zudem hat der Eigner der Integra GmbH Kühe, Schafe und Schweine zu versorgen. Wie Heldmann ist Hitzel nämlich Landwirt – im Nebenerwerb. Mit Bio-Zertifizierung für die Haltung seiner Tiere. „Ich bin als Kind im Allgäu aufgewachsen und wollte immer Landwirt werden. Doch mein Vater riet mir davon ab.“ Trotz Studium und langjähriger Tätigkeit als Bauingenieur für Großprojekte eines Frankfurter Unternehmens blieb die Liebe zum ursprünglichen Berufswunsch. „Hier in Selters habe ich Landluft gespürt“ – und einen Ort gefunden, an dem er als Projektentwickler wie Landwirt reichlich Betätigungsfelder findet.
Mit umgezogen von Kahl am Main ist auch der Sitz seiner Firma, der Integra GmbH. Zu deren Portfolio zählt auch die Vermarktung von Gastronomiebetrieben. So wurde Oliver Hitzel denn das „Heldmanns“ nicht selbst betreiben. „Ich suche bereits jemanden, der das machen würde.“ Dabei weiß er als Selbständiger, dass es dazu eine gewisse Risikobereitschaft und vor allem Durchhaltevermögen braucht.
Da das Gebäude Hausnummer 44 kein Einzeldenkmal ist, sondern „nur“ dem Ensembleschutz untersteht, kann der Innenausbau frei gestaltet werden. Für die Außenfassade gelten allerdings die Auflagen des Denkmalschutzes. Aber Oliver Hitzel möchte sowieso den Eingang des Hauses wieder an seine ursprüngliche Stelle (zur Hauptstraße) zurückversetzen und die Glasbausteine auf der Ostseite austauschen. Dass ihm am Erhalt alter Bausubstanz gelegen ist, lässt sich beim Rundgang mit ihm erkennen. Im zweiten Stock, in dem einmal Mieter einziehen sollen, sind die historischen Bodenkacheln frei geklopft. Sie werden an anderer Stelle im Haus wiederverwendet.
Titelbild: Selters, Hauptstraße 44, heute: Oliver Hitzel möchte beim Umbau des Erdgeschosses den Eingang des denkmalgeschützten Gebäudes wieder an die Straßenseite verlegen.