Der Chronist der Stadtgeschichte
Von Elfriede Maresch
Erhard Müth hat die Geschichte Gederns aufgeschrieben. Der Steuerberater im Ruhestand ist passionierter Heimatforscher und hat sich acht Jahre lang auf Spurensuche in Archiven begeben.Das Ergebnis sind zwei Bände mit zusammen 714 Seiten, die die Entwicklung Gederns von der Frühgeschichte bis heute erzählen.„1956 stellte der Rektor Heinrich Thomee unter dem Titel `Geriwarda, ein Heimatbuch der Stadt Gedern´ den Wandel unseres Ortes im Lauf der Jahrhunderte dar. Nun haben wir dank Erhard Müths Forschungen eine Chronik unserer Stadt, die auch neue Forschungsergebnisse einbezieht!“, stellte der Vorsitzende des Geschichtskreises Gedern, Harald Warnat schon 2017 fest. Damals brachte Müth nach dreieinhalbjähriger Vorarbeit den Band 1 der Gederner Geschichtsblätter mit den Themenschwerpunkten „Von der Erdgeschichte über das Mittelalter bis zur Neueren Geschichte“ heraus. Warnat selbst fügte zwei Kapitel über die Stadtrechte seit 1356 und das Gederner Wappen hinzu. Dr. Gerold Heckert trug ein weiteres über „Münzen und Medaillen des Hauses Stolberg-Gedern“ bei und bildete diese in Originalgröße ab, wie denn das ganze Buch mit Fotos und Abbildungen versehen ist. 2020 veröffentlichte Müth in den Gederner Geschichtsblättern den zweiten Teil der Stadtchronik unter dem Titel „Von den Goldenen Zwanzigern bis 2020 – 100 Jahre Stadtgeschichte“.
Rückblick auf gute und schlechte Zeiten
Warum acht Jahre Spurensuche in Archiven, Pfarrbüchern, Gemeinderatsprotokollen, warum unzählige Gespräch mit Bürgerinnen und Bürgern, um Wissenslücken zur Stadtgeschichte zu schließen? Erhard Müth, im benachbarten Volkartshain aufgewachsen, hat Jahrzehnte anspruchsvoller Berufsarbeit als Steuerberater mit kommunalpolitischem Engagement und der aktiven Mitgliedschaft im Geschichtskreis verbunden. Noch während der Berufstätigkeit war er in einem Jahre langen Arbeitsprozess Mitverfasser der „Dorfchronik von Mittel- und Nieder-Seemen“, einer umfassenden Geschichte von zwei Gederner Ortsteilen, erschienen 2013. Außerdem ist er Mitglied der Deutschen Vulkanologischen Gesellschaft und ausgebildeter Natur- und Kulturführer. Seit Beginn seines Ruhestandes 2012 hat er sich die Dokumentation der Gederner Stadtgeschichte zur Aufgabe gemacht. „Ich will den Leser mitnehmen in gute und schlechte Zeiten, will ihn vertraut machen mit den vielen Einflüssen, die das Gesicht unserer Stadt prägten“ schildert Müth sein Vorhaben. „Eine Übersicht des Inhalts soll den Interessierten helfen, sich in der Fülle der Details zu orientieren und rasch zu besonderen Interessenschwerpunkten zu finden.“
So beginnt der erste Band mit Erd-, Vor- und Frühgeschichte, dem Verweis auf Spuren keltischer Besiedlung in der Region einschließlich des Fürstensitzes auf dem Glauberg und den Berührungspunkten mit dem Imperium Romanum jenseits des Limes. Aus dem „Dunkel der Geschichte“ taucht die Siedlung, die einmal Gedern wird, im Jahr 780 in einer Schenkungsurkunde des Lorscher Codex auf. „Lebensverhältnisse im Mittelalter und in der frühen Neuzeit“ werden in vielen Aspekten geschildert einschließlich der Feudalfamilie Stolberg-Gedern, die das stadtbildprägende Barockschloss bauen ließ. Gedern in den Einflüssen des Großherzogtums Hessen, des Kaiserreiches, die Entwicklung von politischen, wirtschaftlichen und Versorgungsstrukturen sowie ein Blick auf „Militär und Kriege bis 1918“ schließen den ersten Band ab. Das Buch hat 307 Seiten.
Ferne und nahe Geschichte verbinden
„Mir ist es wichtig, `ferne´ mit `naher´ Geschichte zu verbinden“ sagt Müth zum zweiten Chronikteil. Die Stadtentwicklung Gederns 1919 bis 1945 wird in den ersten drei Kapiteln dargestellt, immer im Wechselspiel mit politischen Entwicklungen auf der hessischen, der gesamtdeutschen Ebene. Details kommunalpolitischer Aufgaben sind ebenso Thema wie Auswirkungen auf das Alltagsleben. Städtische Baumaßnahmen werden skizziert. Nach 1933 beginnen die Gleichschaltung von Gemeinderat und Vereinen, die Repressionen gegen jüdische und nicht mit dem politischen System konforme Bürger. Das vierte Kapitel basiert auf `oral history´, auf Erinnerungen von Gederner Senioren. Es stellt die Opfer und Umwälzungen des zweiten Weltkriegs in der Stadt dar. Entwicklungen in Hessen, in der jungen Bundesrepublik und Europa werden skizziert. Die Kapitel 5 und 6 stellen die Nachkriegsentwicklung der umfangreichen kommunalen Arbeitsfelder Gederns von der Grundversorgung bis zur Touristik in den Jahren 1945 bis 1971 dar. Von 1971 bis heute, von der Großgemeindebildung bis zur Corona-Pandemie reicht das achte Kapitel. Dabei klingen auch Zukunftsaufgaben, etwa die Nutzung erneuerbarer Energien, an. Das Buch hat 408 Seiten und zahlreiche Abbildungen.
Der Autor arbeitet nun am dritten Teil, der voraussichtlich im Herbst dieses Jahres erscheinen wird. Es geht um die Themenfelder Geschichte der religiösen Gemeinschaften und ihrer Gotteshäuser, der Schulen, des Gesundheitswesens einschließlich des Gederner Krankenhauses, sowie von Landwirtschaft und Wettereinflüssen. „Ich habe vielen zu danken“ betont Müth: „Meinen Gesprächspartnern und -partnerinnen, den Sponsoren des Buches sowie den Korrektur Lesenden Gothild Thomas, Gottfried Schmoranzer und Herbert Vonhof.“
„EinkaufsstadtGedern gestern und heute“ ist das Motto einer besonderen Stadtführung mit Erhard Müth. Dazu lädt der Geschichtskreis am Pfingstmontag, 24. Mai um 14 Uhr (Treffpunkt ALDI-Parkplatz). Thema ist der Einzelhandel sowie Handwerk und Gaststätten samt den ehemaligen und heutigen Geschäften in Gederns Hauptstraße mit Abstechern in die Seitenstraßen.
Der erste Band der Gederner Geschichtsblätter hat die ISBN-Nummer 978-3-00-058124-3, der zweite die Nummer 978-3-00-066553-0. Beide sind im Buchhandel erhältlich, aber auch im Touristikbüro der Stadt, in der Gederner Schublade und im Papierwarengeschäft Limpert, bei Elkes Buchladen in Schotten und beim Autor selbst, Telefon 06045/1031.
Titelbild: Das Gederner Schloss. (Foto: Wikipedia/Sven Teschke – Eigenes Werk, CC BY-SA 2.0 de, httpscommons.wikimedia.orgwindex.phpcurid=969366)