Stolpersteine Frankfurt

Reiseführer in die Nazi-Barbarei

Ein Stadtführer für Frankfurt der ganz anderen Art ist jetzt im stolpersteineVerlag Brandes & Apsel erschienen: er führt zurück in die Zeit der Barbarei, die noch gar nicht so lange her ist. In die Zeit als die Nationalsozialisten Menschen systematisch verfolgten, quälten und töteten. An die Opfer erinnern „Stolpersteine“. „Stolpersteine in Frankfurt am Main – Zehn Rundgänge“ ist der Titel des Stadtführers. Herausgegeben hat das Büchlein die Frankfurter Stolperstein-Initiative.

Erschütternde Schicksale

Die Rundgänge führen von einer Tragödie zur nächsten. Vor dem stolpersteine1Eckhaus Hansaallee 12 zum Beispiel erinnert ein Stolperstein an den gebürtigen Butzbacher Max Fröhlich. Er war Jude. Und er wäre den Nazis beinahe entkommen. Er war auf dem Flüchtlingsschiff „St. Louis“, doch das Schiff durfte weder in Kuba noch in den USA  anlegen und wurde zurück nach Belgien geschickt. Max Fröhlich  wurde nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

stolpersteine2An Hans Erl, einen der bekanntesten Sänger der Frankfurter Oper damals, erinnert ein Stolperstein vor dem Haus 267 in Eschersheim. Nach der Pogromnacht 1938 war er wie die meisten jüdischen Männer in die Festhalle gebracht worden. Ein SS-Mann erkannte ihn und forderte ihn auf, die Arie des Sarastro „In diesen heiligen Hallen“ aus der „Zauberflöte“ zu singen. Danach wurde Erl freigelassen. Im Mai 1942 wurde er zusammen mit seiner Frau Sofie nach Sobibor deportiert und ermordet.

„Im Anfall plötzlich verschieden“

Hermann Maier liebte einen jungen Mann. Dafür musste er 18 Monate ins Gefängnis. Danach wurde er in „Vorbeugehaft“ genommen. Die überlebte er nicht. Er starb angeblich an Lungenentzündung.

Jakob Hess war Epileptiker. Er wurde  mit 18 Jahre in die Heil- und Pflegeanstalt Kalmenhof in Idstein im Taunus zwangsverlegt. Seine Mutter erhielt 1939 ein standardisiertes Telegramm, ihr Sohn sein „im Anfall plötzlich verschieden“.

Die Jüdin Fanny Steiner listete 1941 im Alter von 83 Jahren dem Frankfurter Oberbürgermeister auf, wie lange ihre Familie bereits in Frankfurt lebte und wie patriotisch sie war: „Mein Sohn Willy war vier Jahre im Weltkriege und hat verschiedene Orden erhalten. Nachher hat er als Freiwilliger 1920 in Oberschlesien gekämpft. Er war Gründer des Luftfahrt-Museums Greiz, Thüringen, und hat sich nachweisbar in ganz hervorragender Weise national und vaterlandstreu betätigt.“ Es half ihr nicht. Fanny Steiner kam 1942 nach Theresienstadt, wo sie am 2. März 1943 ermordet wurde.

Ein Rundgang folgt den Spuren von Anne Frank, dem jüdischen Mädchen, das durch sein Tagebuch berühmt wurde, das sie im Versteck ihrer Familie in Amsterdam geschrieben hatte. Anne Frank war am 12. Juni 1929 in Frankfurt geboren worden.  Sie starb im März 1945 im KZ Bergen-Belsen.

Über 1200 Stolpersteine verlegt

In Frankfurt wurden bislang weit über 1200 Stolpersteine verlegt. Rund 1500 erinnern an jüdische Opfer der Nazis, zwei an homosexuelle Opfer, 14 an Zeugen Jehovas, elf an Sinti, über 40 an Widerstandskämpfer, und sechs an Opfer der Euthanasie-Morde.

Der Kölner Künstler Gunter Demnig hat die Stolpersteine erfunden. Es sind zehn Zentimeter große Betonwürfel mit einer Messingplatte auf der Oberseite. Auf dieser Platte sind die Namen und Daten von Menschen zu lesen, die währen des Nationalsozialismus verfolgt und ermordet wurden.

Die Rundgänge führen nicht alleine zu den Stolpersteinen, auch Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus liegen auf den Strecken, die alle zwischen 1,2 und 3,5 Kilometer lang sind. So erfährt man zum Beispiel, dass in der Turnhalle der Klingerschule von Sommer 1941 bis Sommer 1944 der Besitz geflohener oder zur Deportation bestimmter Juden gelagert und versteigert wurde. Rund 15000 Versteigerungen habe es dort gegeben. Eine Gedenkstätte erinnert an das „Arbeitserziehungslager“ in Heddernheim, das einziger Lager dieser Art in Frankfurt. Er wurde am 1. April 1942 eingerichtet und bestand bis zum 18. März 1945. In dieser Zeit waren dort rund 10000 Deutsche und Ausländer inhaftiert.

In seinem Grußwort wünscht Frankfurts Bürgermeister Peter Feldmann (SPD) dem Buch „viele Leser, die sich mit ihm auf den Weg machen“.

Man kann sich mit dem Buch auf den Weg machen, muss es aber nicht unbedingt: alleine die Lektüre ist eine Geschichtsstunde, die sich einprägt.

Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main(Hrsg.): Stolpersteine in Frankfurt am Main, Verlag Brandes & Apsel, 196 Seiten, Paperback, zahlreiche Abbildungen, Routenkarten und Dokumente, 14,90 Euro, ISBN 978-3-95558-185-5

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