Rewe-Logistikpark

Richter sollen über Bauprojekt entscheiden

Von Klaus Nissen

Naturschützer, Bauern und Kirchen klagen gegen den Bau eines riesigen Lagerhauses an der A45 zwischen Wölfersheim und Berstadt im Norden des Wetteraukreises. Die geplante Versiegelung von rund 30 Hektar besten Ackerlandes bringt sie auf die Palme.

Rewe-Logistikpark

Schon im Spätsommer 2028 soll der Supermarkt-Konzern Rewe mit dem Bau seines Nachschub-Zentrums zwischen Wölfersheim und Berstadt beginnen können. Das Aktionsbündnis Bodenschutz wehrt sich nun mit einer Verwaltungsklage gegen den Bau des mehr als 20 Meter hohen und 100 000 Quadratmeter großen Lagerhauses.

Das wohl größte Gebäude der Wetterau plant Rewe mit tatkräftiger Unterstützung der Gemeinde Wölfersheim. Das Hochregallager soll ab der zweiten Jahreshälfte an der Autobahn-Auffahrt Wölfersheim gebaut werden, entlang der Bundesstraße 455 und der Kreisstraße nach Echzell. Die Grundfläche der Halle erstreckt sich über zehn Hektar – so steht es in der 34-seitigen Projektbeschreibung der Gießener Bauleitplanerin Elisabeth Schade. Sie hat den Bebauungsplan im Auftrag der Gemeinde Wölfersheim geschrieben und auf der Internetseite plan-es.com veröffentlicht. Die Gemeinde will das rechteckige Riesen-Grundstück von den Eigentümern kaufen und es dann dem Rewe-Konzern übergeben. Der Bebauungsplan soll im Frühjahr offengelegt werden, kündigte Bürgermeister Rouven Kötter (SPD) gestern an.

Doch schon jetzt rührt sich mächtige Gegenwehr. Mit Hilfe des Verwaltungsgerichts Gießen und notfalls auch des Kasseler Verwaltungsgerichtshofs versucht das „Aktionsbündnis Bodenschutz“, das Lagerhaus zu verhindern. Kurz vor Weihnachten schickte es die Klageschrift gegen die Zweckenfremdung wertvollen Ackerlandes nach Gießen. Das sagte Werner Neumann vom Landesvorstand des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) am 4. Januar 2018. Ideell und finanziell  stehen dahinter auch der Kreisbauernverband, die evangelischen und katholischen Dekanate, der Naturschutzbund (Nabu) und die von Direktvermarktern und Biobauern gegründete Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft.

Vor dem Verwaltungsgericht, aber auch im kommenden Landtagswahlkampf wollen die Bodenschützer gegen das Rewe-Lager mobil machen. Sitzend von links Jürgen Hutfiels und Werner Neumann vom BUND, Wolfgang Dittrich vom Evangelischen Dekanat, die Nabu-Kreisvorsitzende Doris Jensch. Stehend Kreislandwirt Michael Schneller und Jörg Weber von der AG Bäuerliche Landwirtschaft. Foto: Nissen

Schon der Begriff „Logistikpark an der A45“ regt Werner Neumann auf. Das rund 30 Hektar große  Gewerbegebiet  werde nichts weniger als ein Park, schimpfte der frühere Leiter des Frankfurter Umweltamtes bei der Pressekonferenz im ehemaligen Predigerseminar an der Friedberger Burg. Man müsse den Acker bei Berstadt retten, ergänzte Kreislandwirt Michael Schneller. „Wir leben davon“.  Die Böden dort gehörten zu den fruchtbarsten der Welt. „Uns Bauern wird immer mehr Fläche entzogen“, klagte der Kreislandwirt und verwies auf die Pläne der Stadt Frankfurt, zwischen Praunheim und Steinbach 550 Hektar Acker in einen neuen Stadtteil zu verwandeln. Das Maß sei voll, sagten Wolfgang Dittrich von der Evangelischen Kirche, die Nabu-Kreisvorsitzende Doris Jensch und der Biobauern-Vertreter Jörg Weber. „Immer mehr Verbraucher wollen regionale Erzeugnisse“, so Weber.  „Aber wenn man uns den Acker dafür wegnimmt, haben wir ein großes Problem.“

Die Gemeinde will den Bau so schnell wie möglich

Die Verwaltungsklage richtet sich formal gegen eine im Oktober vom Regierungspräsidium Darmstadt genehmigte Zielabweichung des aktuellen Flächennutzungsplans. Das betroffene Gelände gilt jetzt nicht mehr als Landwirtschafts- sondern als Gewerbefläche. Die Klage gegen den Lagerhaus-Bau habe aufschiebende Wirkung, sagt Werner Neumann vom BUND. Doch die Gemeinde Wölfersheim hat schon vor der Klage den Sofortvollzug der Planänderung beantragt, so Bürgermeister Kötter auf Nachfrage. Das Regierungspräsidium hat den aber noch nicht entschieden.

Mit dem parallelen Bebauungsplan-Verfahren will Bürgermeister Kötter so schnell wie möglich Baurecht für das Logistikzentrum von Rewe schaffen. Sobald es besteht, könnten nach Angabe des BUND unwillige Grundstücksbesitzer sogar enteignet werden. Die Verwaltungsklage der Bodenschützer Kötter nach eigenem Bekunden „relativ entspannt“ zur Kenntnis. „Ich bin nicht einmal sicher, ob die Klage überhaupt zugelassen wird.“ Das Logistikzentrum sei mit einem „absolut sauberen Verfahren“  in die Wege geleitet worden. Das Regierungspräsidium habe alle fachlichen Argumente sehr gewissenhaft geprüft.

Die gestrichelte Linie umreißt das etwa 30 Hektar große Areal neben der Autobahn-Auffahrt Wölfersheim, das mit einer großen Lagerhalle und Rangierflächen für Lastzüge bebaut werden soll. Foto: Google Earth

Aber warum hat es die Gemeinde so eilig mit dem Bau des Rewe-Lagerhauses? „Das Projekt hat einen ehrgeizigen Zeitplan“, antwortete Kötter gestern. „Ich habe persönlich kein Verständnis dafür, dass nun seitens des BUND, finanziell von den beiden grünen Wölfersheimer Gemeindevertretern unterstützt, gegen diese Entscheidung geklagt wird. (…) Ich gehe nach wie vor davon aus, dass wir im Spätsommer 2018 Baurecht für das Gelände haben werden.“

Die Bauherren von Rewe halten sich bislang vornehm zurück. Sie wollen laut Projektbeschreibung die Nachschublager von Rosbach und Hungen nach Berstadt verlagern, ohne die alten Standorte aufzugeben. Auf den verkehrsgünstigen liegenden Ackerfluren „Im Kleinen Feld und „Auf der Flurscheide“ könne man effektiver und rund um die Uhr die Touren zu den einzelnen Supermärkten in Gang setzen.

Die Wetterauer Grünen gehören nicht zum Bodenschutz-Bündnis, unterschreiben aber dessen Ziele. Der Landratskandidat Thomas Zebunke solidarisierte sich am 4. Januar mit den Kritikern des Logistikprojekts. Und der in Wölfersheim wohnende Kreistagsabgeordnete Michael Rückl rügte die Energie, mit der seine von der SPD regierte Gemeinde für Rewe arbeite. Er schrieb: „Warum sollten die Kunden noch die Sonntagsreden von der Nachhaltigkeit glauben, wenn sie über 30 Hektar Natur und beste Ackerböden für ein Bauprojekt opfern, das letztendlich nur dazu dient, andere aus dem hart umkämpften Lebensmittelmarkt zu verdrängen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die anderen Konzerne nachziehen werden.“ Man müsse den Flächenverbrauch aller Art deutlich einschränken. Nach Angaben des Kreislandwirts Michael Schneller werden in Hessen jeden Tag etwa 20 000 Quadratmeter, also zwei Hektar versiegelt.

Weitere Informationen über das Projekt hier und

hier.

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