Radio-Museum

Die Geschichte der Rundfunkapparate

Von Detlef Sundermann

Vom russischen Taschenempfänger im Billigplastikgehäuse – aber mit Lederetui – mit dem vielversprechenden Namen „Kosmonaut“ bis hin zum Klassiker im Gelsenkirchener Barock mit auf Hochglanz politierter Edelholzschale, die gut ein Dutzend Röhren umschließt – das Radio-Museum in Linsengericht zeigt die Wunderwelt der Geschichte der Rundfunkaparate. Das Ehepaar Gudrun und Bernd Weith hat das Museum gegründet. Mittlerweile wird es von einem Verein getragen. Eine schier unzählbare Menge an Empfängern, Phonomöbel mit zusätzlichem Plattenspieler und auch Tonbandgeräte werden ansprechend im Dachgeschoss der einstigen Dorfschule präsentiert.

Radios aus Ost und West

Gleich ob kunstgeschreinertes Holzgehäuse oder die neue Sachlichkeit des Radiokastens, gleich ob Körting oder Grundig – Design und Marken spielen in der Ausstellung keine Rolle. Alles, was in Deutschland seit 1923 und ab 1945 in West- und Ost-Deutschland an Radioapparaten erhältlich war, ist in die Schau aufgenommen worden. 1990 bildet das Schlussdatum der Ausstellung. „In dem Jahr schloss das letzte deutsche Radiowerk“, sagt Gudrun Weith. „Das Werk wurde ein Opfer der Wende von 198“, erläutert sie. Der im thüringischen Lobenstein entwickelte GCR 6200 blieb unvollendet, weil das Kassettenrekordermodul aus Ungarn schon nicht mehr geliefert wurde. Und so zeigt das blaue Exponat eine klaffende Lücke, in der das Bauteil aus dem damaligen sozialistischen Bruderstaat hineingesetzt werden sollte. Die Weiths haben die Fehlstelle mit einem Trabi im Miniaturformat gefüllt.

Nicht nur das Radio-Museum ist eine Besonderheit, sondern auch, wie Gudrun und Bernd Weith in der DDR Sammler für Unterhaltungselektronik wurden. Beide führten vor dem Mauerfall einen Laden für elektronische Bauteile, danach waren auch sie bald ein „Opfer der Wende“. Wer bastelte noch elektronische Gerät, wenn es diese von nun an zum Taschengeld Preis zu kaufen gab. Bernd Weith fand in seinem Lehrberuf Elektriker eine Arbeit im Main-Kinzig-Kreis, das Ehepaar siedelte nach Linsengericht über, mitsamt ihrer Sammlung, die damals vor allem aus Erzeugnissen bestand, die östlich des Eisernen Vorhangs zusammengelötet worden waren. In ihrem Geschäft in Zwickau standen immer ein paar Radio-Oldies zur Dekoration – allerdings nicht, wie in manchen anderen DDR-Läden, um die Mangelwirtschaft zu kaschieren. Bei den Weiths gab es hingegen immer volles Sortiment. Man klapperte dafür die Radiofabriken ab und sammelte dort als gern gesehener Besuch Makulaturen ein. Natürlich wurde offiziell im Sozialismus kein Schrott produziert, erzählt Gudrun Weith mit einem Schmunzeln. Aus den Platinen wurden dann die verwendbaren Bauteile ausgelötet.

Die Ohrwürmer

Vorsitzender des Radiomuseums Bernd Weith und seine Frau Gudrun mit ganz viel Radioverstand. (Fotos: Detlef Sundermann)

Der Aufbau eines Museums war für Gudrun Weith eine logische Folge. „So etwas ist ja nicht wie Briefmarkensammeln. Radios muss man anschauen und spielen lassen“, sagt sie. Mit sieben Mitgliedern und dem Vereinsnamen „Die Ohrwürmer“ ist das Museum am Nikolaustag 1998 eröffnet worden. Im Jahr darauf ist der Verein umgetauft worden und erhielt die griffigere Bezeichnung „Radio-Museum Linsengericht“. Über die Jahre ist die Ausstellung wegen der vielen Leihgaben und Schenkungen gewachsen. „Wir könnten noch doppelt so viel Platz gebrauchen“, sagt Bernd Weith. Das Museum sei längst über die lokalen Grenzen hinaus bekannt. Die erste Reaktion vieler Besucher: „So ein Gerät stand bei uns auch.“

Heute stehen auf der Mitgliederliste der Ohrwürmer gut 60 Personen. Es sind keineswegs nur alte Leute, betont Bernd Weith. Es sind aber alle auf ihre Weise Nostalgiker und nicht wenigen darunter juckt es in den Fingern, die alten Schätze mit Fachwissen und handwerklichem Geschick wieder Instand zu setzen. Ein blindes Magisches Auge, eine dunkle Skalascheibe, deren Städtenamen schnell eine Herausforderung an die Geografiekenntnisse darstellen, oder stumme Lautsprecher, das geht nicht, auch wenn es sich museale Stücke handelt. „Die Elektronik ist weniger das Problem, im Internet finden sich mehr 800.000 Schaltpläne und jede Menge Bauteile“, sagt Bernd Weith. Schwierig wird es, Schäden in der zum Teil raffiniert konstruierten Mechanik zu beheben oder Ersatz für zu Bruch gegangene Skalenscheiben zu bekommen.

Musik auf Draht

Kleiner ging’s in den 1960er Jahren nicht: Tonbandgerät to go.

Und dennoch gelingt des den Vereinsmitgliedern, so manche Kuriosität der Phono- und Radioindustrie ein zweites Leben zu geben, etwa dem Aufnahme- und Wiedergabegerät, das Musik und Sprache per Magnetisierung auf einen Draht konserviert. Ein bisschen wie Schelllackplatte kling’s, aber wunderbar kräftig. Für Dauermusikhörer wurde in den 1970er Jahren ein Kassettendeck mit Wechseler und Wendeaufsatz auf den Markt gebracht – wohl frei nach der James Last Reihe „Non-Stop Dancing!“. Oder die protzige Holzkarosse eines Philips aus den 1950er Jahren auf einer Lautsprecherbox mit Bassreflex. Eine Kombination, die an einen Verstärker-Stack für E-Gitarristen erinnert. Gut 30 Sekunden nach dem Einschalten haben die Röhren ihre Betriebstemperatur erreicht und ein vollklingender, weicher Ton umgibt den Hörer, trotz Mono.

Apparate ohne UKW-Teil geben hingegen zumeist nur noch ein Rauschen von sich, was nicht an den Empfängern liegt. Die Mittelwelle ist weitgehend tot und auf der interkontinentalen Kurzwelle ist es auch leer geworden. Zumeist Asien, Orient und der Verkündungsfunk senden dort noch ihr Programm durch den Äther. Still ist es zu den Öffnungszeiten im Museum dennoch nicht. Mancher Apparat dudelt Schlager von einst aus der Tonkonserve – offenbar nicht nur zur Freude älterer Semester unter den Besuchern. „Die Kinder sind von den alten Radios begeistert, auch von den alten Liedern aus den 20 und 30er Jahren“, erzählt Gudrun Weith. Nicht selten müssten sich Eltern erdulden, weil der Nachwuchs der Generation MP3-Player bittet: „Warte noch, ich will es zu Ende hören.“

Das Radio-Museum befindet sich in der Florianstraße 6, Linsengericht. Öffnungszeiten: 2. und 4. Sonntag (nächste Termine 14. und 28. Januar) im Monat von 14 bis 18 Uhr und auf Anfrage (Telefon 06051 71931). Die Radio-Klinik, in die Röhrengeräte zur Reparatur gebracht werden können, ist am 26. Januar ab 19 Uhr geöffnet.

www.radio-museum.de

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