Protestcamp geräumt

Polizei und Fraport reißen Baumhäuser ab

Von Klaus Nissen

Mehrere hundert Einsatzkräfte haben am Morgen des 6. November 2018 das Protestcamp der Ausbaugegner am Frankfurter Flughafen geräumt. Die Besetzer hatten schon am Vortag von der Räumung erfahren. Sie ließen sich ohne Widerstand von den Bumhäusern holen.

Protestcamp am Frankfurter Flughafen geräumt

Eine Kolonne von Polizeiautos rückte noch vor dem Morgengrauen in den Treburer Oberwald an der Südostecke des Flughafengeländes vor. Noch im Dunkeln, gegen 6.30 Uhr, stellten sich Bereitschaftspolizisten aus Hessen und Nordrhein-Westfalen zwischen den Stämmen auf. Per Megafon forderten sie die etwa 15 Besetzer des Waldstücks auf, abzuziehn.

Das Räumkommando hat eine junge Frau mit der Hebebühne von ihrer Plattform gezogen und trägt sie nun zur Personalienfeststellung. Foto: Nissen

Die meist jungen Leute waren aber auf den uniformierten Besuch vorbereitet. Zwei von ihnen ketteten sich in einem vergrabenen Fass fest – es dauerte Stunden, bis die Polizei sie mit schwerem Gerät befreit hatte.

Seit mehr als einem Jahr leben wissen die Ausbaugegner,  dass die Fraport-AG das 4,5 Hektar große Waldstück  an der Südostecke des Flughafengeländes einzäunen und dann die Buchen und Kiefern fällen will. Sie müssen weg, damit ein neuer Autobahn-Zubringer ab Ende 2021 die von Süden über die A5 anreisenden Fluggäste zum neuen Terminal 3 bringen kann. Die Gemeinde Trebur hatte den Wald im August 2018 an die Fraport AG verkauft, um einem Enteignungsverfahren zu entgehen. Der Wald an der Ostseite der A5 weicht ab Jahresbeginn 2019 der Baustelle für eine Abbiegespur. Auf der anderen Seite der Autobahn wird ein Teil des neuen Terminal 3 vorzeitig gebaut, um die Passagiere von Billigfliegern abzufertigen. Sie können nur mit eigenen Autos oder Bus-Shuttles zum neuen Terminal kommen – der Bau einer S-Bahnstation ist vorgesehen, scheitert bislang aber an der Weigerung der Fraport-AG, die Kosten zu übernehmen.

Kräftige Bereitschaftspolizisten drängen den alten Flughafen-Ausbaugegner ab, als er ein verschmutztes Protestplakat vom Boden heben will. Foto: Nissen

In der Nacht zum 6. November umzingelten die Bereitschaftspolizisten das zur Rodung bestimmte Waldstück in einem großen Bogen. Zunächst durfte niemand mehr hinein. Nur Journalisten und einige bekannte Vertreter der Flughafengegner  gelangten nach Tagesanbruch unter Aufsicht der Polizei-Pressesprecher vorübergehend bis an den Rand des Hüttendorfs. Von dort aus waren Polizisten in olivgrünen Overalls mit  Sturmhauben, Schutzbrillen, Helmen und Klettergurten zu sehen.  ausgerüstet. Eine hydraulische Hebebühne brachte die Räumkommandos zu den Baumhäusern. Auf einer Plattform in sechs Metern Höhe saß eine junge Frau mit Wollmütze vor ihrem Zelt. Sie rauchte eine selbstgedrehte Zigarette, als die Polizisten vor ihr auftauchten.  Man redete miteinander, dann legte sich die junge Frau auf die Seite und ließ sich auf die Hebebühne tragen. Auf dem Waldboden trugen Polizisten sie zur Personalienfeststellung.

Besetzer bleiben angeblich unbehelligt

Die meisten Waldbesetzer kamen anschließend frei. Sie würden  nicht juristisch von der Fraport verfolgt, sagte ein Pressesprecher des Flughafenbetreibers. Nur ein Waldbesetzer ohne Ausweis, der seine Personalien verschwieg, blieb vorerst in Polizeigewahrsam.

Stundenlang mühten sich die Polizisten, die beiden in den Fässern angeketteten Aktivisten von ihrer Fessel zu lösen, ohne sie zu verletzen. Die anderen Waldbewohner schauten von ihren Baumhäusern aus zu. Sie wirkten gefasst. Ein Campbewohner twitterte: „Heute gibt es Linsen-Eintopf.“  Die meisten Besetzer sind junge Leute. Eine der Besetzerin zählte laut Polizei-Sprecher allerdings 76 Lenze.

Ein junges Paar hatte sich auf das Dach zurückgezogen, die Frau stieg noch zwei Meter höher und stand ungesichert auf einem Ast. Nach einigen Minuten verließ sie diese prekäre Stellung. Ein Polizist mit Kletterausrüstung stieg dann hinauf und verankerte ein Sicherungsseil. Auf der Hebebühne nahm auch ein Vertreter des „Medic-Teams“ die Waldbesetzer in Empfang.

Dieser Teil des Treburer Oberwaldes wird nun Teil der Flughafen-Baustelle. Foto: Nissen

Noch während die Räumung der Baumhäuser läuft, sägten unten Männer mit Motorsägen das Unterholz am Rande des Rodungsgeländes weg. Arbeiter schleppten  Drahtzäune herbei und verschraubten sie miteinander.  Auf dem Waldweg marschierten Dutzende  in gelbe Warnwesten gekleidete Security-Leute ein, die sich entlang des neuen Zaunes verteilten. Fortan werde man das Gelände bewachen und sofort mit dem Baumfällen beginnen, erläuterte der Fraport-Pressesprecher.

Die Baumhäuser werden zerstört

Radlader warteten derweil  darauf, die Reste der Baumhäuser auf die Mulde eines Lastwagens zu kippen.  Im äußeren Polizeikordon stand ein Protestierer.  Er nahm  mit dem Smartphone einen Live-Stream von der Räumung auf und rief den Uniformierten zu, sie sollten die Bäume stehen lassen – „damit auch Ihr, liebe Polizisten, saubere Luft atmen könnt!“

Am Feldweg forderte ein alter Mann die dort stehenden Polizisten auf, ihm das auf den Boden liegende Protestschild zu überlassen. Sie verweigern das mit dem Hinweis, es werde zur Beweissicherung gebraucht. „Dabei fahren doch nur die Laster drüber!“ empörte sich der alte Herr und versuchte, das schmutzige Schild an sich zu ziehen. Er wurde beiseite gedrängt. Das Protestcamp im Treburer Oberwald ist Geschichte.

Linksfraktion protestiert

Eine erste Reaktion ging noch am Nachmittag des 6. November von Hermann Schaus ein, dem Sprecher der Linken-Landtagsfraktion: „Der CDU-Innenminister lässt ein Protest-Camp räumen, um weiteren Wald rund um den Frankfurter Flughafen zu roden. Kurz nach einer Landtagswahl, wie schon Anfang 2009 in Kelsterbach. Und die Grünen sondieren unterdessen in ‚freundschaftlicher Atmosphäre‘ mit dem Noch-Koalitionspartner, der dies aller Wahrscheinlichkeit nach auch in den nächsten fünf Jahren bleiben soll.“

Der am Wahlabend von den Grünen mantraartig wiederholte Satz ‚Hessen war nie grüner‘ habe schon wenige Tage später einen bitteren Beigeschmack. Bäume fallen für die weitere Expansion des Flughafens. Schon der letzte Flughafenausbau habe die versprochenen Arbeitsplätze nicht gebracht, stattdessen nur mehr Lärm, mehr CO2-Ausstoß und mehr Schadstoffe für die Region. Die Billigflieger,  für die das neue Terminal gebaut werden sollen, brächten die bisherigen Jobs am Flughafen sogar noch unter erheblichen Druck.“

Fraport: Neue Bäume an anderer Stelle

Die Fraport-AG weist dagegen darauf hin, dass  für jeden gefällten Baum woanders ein neuer Baum gepflanzt werde. Seit 2007 habe man für den Ausbau des Flughafens 282 Hektar Wald verbraucht. Zum Ausgleich habe man an 13 anderen Orten insgesamt 288 Hektar neuen Wald gepflanzt. Dafür habe das Unternehmen mehr als 160 Millionen Euro investiert.

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