Angst vor Muslimen

Ortsbeirat gegen Moschee für Ahmadiyyas

Von Klaus Nissen

Sie gelten als die friedlichsten Muslime überhaupt – die Mitglieder der rund 240 Ahmadiyya-Gemeinden in Deutschland. Das sind die Leute, die an Neujahrs-Vormittagen stets die Böller-Reste ihrer Nachbarn von den Bürgersteigen fegen.  Dennoch fürchtet der Ortsbeirat von Altenstadt-Waldsiedlung im Wetteraukreis gewalttätige Krawalle zwischen Ahmadiyyas und türkischen Moslems. Er will den Ahmadiyyas deshalb keinen Gebetsraum zugestehen. Die  NPD nutzt die Angst politisch aus.

Angst vor Muslimen

Diese Ahmadiyya-Muslime luden ihre Nachbarn im März 2017 zum Essen ins Waldsiedlungs-Bürgerhaus ein. Sie fegen am Neujahrsmorgen die Straßen und lassen beim Jahresempfang den katholischen Pfarrer reden. Trotzdem fürchten Anwohner, dass sie sich mit türkischen Muslimen prügeln. Foto: Nissen

Öffentlich sichtbar werden die meist aus Pakistan stammenden Ahmadiyya-Muslime in der Waldsiedlung nur selten. Zuletzt luden sie  im März 2017 alle Interessierten zum Essen ins Dorfgemeinschaftshaus ein.  Der katholische Pfarrer hielt eine Ansprache zum Jahresempfang. Alles sehr harmonisch.

Noch länger als die Ahmadiyyas leben türkische Muslime in der  2600 Einwohner zählenden Waldsiedlung. Sie treffen sich in der Ditib-Moschee an der Philipp-Reis-Straße.  Konkrete Ruhestörungen oder gar Gewalttaten hat bisher niemand berichtet.  Man habe keinen Kontakt miteinander. Aber auch keine Konflikte, sagt der Ahmadiyya-Vorsitzende Rafique Khawaja.

„Zwei Moscheen sind eine zuviel“

Seine Leute treffen sich zum Freitagsgebet  in Privatwohnungen, manchmal auch in der Höchster Villa, die sie von der Gemeinde mieten. Man hätte schon gern einen festen Gebets- und Versammlungsraum, so Khawaja. Und stehe deshalb in Verhandlungen mit einem Geschäftsmann,  um sein Firmengebäude an der Ecke Siemens- und Philipp-Reis-Straße zu kaufen. Das wolle man umbauen. „Aber das ist alles in der Schwebe. Wir haben noch nichts gekauft und auch keinen Bauantrag gestellt“.

Nun herrscht Alarmstimmung im Ort.  Sie selbst und auch andere Nachbarn seien gegen eine Ahmadiyya-Moschee in der Waldsiedlung, sagt die Hotelchefin Elena Rebensdorf. Die Ahmadiyyas seien „sehr intelligente Leute. Wir kommen miteinander klar, und es ist auch nichts passiert.“ Doch wenn es in der Waldsiedlung „eine Kirche und zwei Moscheen gibt, dann ist es eine zuviel.“ Die Muslime seien ja nicht aggressiv. Aber man wolle vermeiden, dass es dazu kommen könne.

Noch nie miteinander gesprochen

Ins gleiche Horn blasen Ortsvorsteher Klaus Dietrich  und die sieben anderen Mitglieder des Ortsbeirats. Sie alle lehnten  Ende April 2017 die noch gar nicht beantragte Gebetsstätte der Ahmadiyyas ab. Im Protokoll heißt es: „In Glaubensansichten sieht der Ortsbeirat ein erhöhtes Konfliktpotenzial, insbesondere an Feiertagen, wenn größere Gruppen hier aufeinander treffen.“ Im Gespräch legt der FDP-Politiker Dietrich noch nach: In der schon bestehenden Moschee würden ja von der türkischen Religionsbehörde Ditib angestellte Imame eingesetzt. „Da wird Hass gelehrt“, meint er. Auf Nachfrage räumt Dietrich  ein, noch nie Kontakt zu der Ditib-Gemeinde in der Waldsiedlung gehabt zu haben. Zu den Ahmadiyyas sagt er, „dass deren Auslegung des Korans nicht überall beliebt ist.“  Bürgermeister Norbert Syguda (SPD), der sich ja mit Muslimen fotografieren lassen, müsse nun Stellung beziehen. „Er kann sich da nicht einfach raushalten.“

NPD spricht von Islamisten

Im Waldsiedlungs-Ortsbeirat sitzt auch der NPD-Gemeindevertreter Stefan Jagsch. Er nutzte die Ängste der Anwohner, um gleich eine Anfrage ans Gemeindeparlament zu stellen. Sie wird 12. Mai 2017 als vorletzter Tagesordnungspunkt in der Altenstadthalle behandelt. Wie der Gemeindevorstand die Sicherheitslage in der Waldsiedlung bewerte, fragt Jagsch da. Ob schon ein Minarett-Bau beantragt sei. Und ob bekannt sei, dass „beide islamistischen Religionsvertreter unterschiedliche Auffassungen des Koran vertreten“. Wobei das Wort „islamistisch“ bereits eine Nähe zu gewalttätigen Fanatikern unterstellt. Er sei nicht ganz glücklich über diese Anfrage, so OrtsvorsteherDietrich.  Aber die NPD habe halt „die Gunst der Stunde genutzt.“

Es gebe momentan keinen Bauantrag für eine zweite Moschee in der Waldsiedlung, so der Altenstädter Bauamtsleiter Volker Elbert. Und selbst wenn der käme, könne die Gemeinde nur zu Stellplätzen und Bauvorschriften Stellungnahmen abgeben. Ob zwei Moscheen in einem Ort zu viele seien, das müssten andere entscheiden. Die Philipp-Reis-Straße liege in einem Mischgebiet. Und da sei der Bau einer Gebetsstätte grundsätzlich machbar.

Ein Gedanke zu „Angst vor Muslimen“

  1. Zitat aus dem unten verlinkten Bericht des SWR über ein Gutachten für die rheinland-pfälzische Landesregierung. Auszug: „Vorbehalte seitens der traditionellen Verbände.
    Der vierte Partnerverband, die islamische Reformbewegung Ahmadiyya Muslim Jamaat ist mit rund 1.800 Mitgliedern die kleinste Gruppe. Während sie den formalen Ansprüchen an eine Religionsgemeinschaft sehr nahe kommt, gibt es gegenüber den meist aus Pakistan stammenden Anhängern spürbare Vorbehalte seitens der traditionellen Verbände.
    Ditib und VIKZ hatten zumindest zum Zeitpunkt der Gutachten-Erstellung ausgeschlossen, Ahmadiyya-Mitglieder als Religionslehrer zu akzeptieren. Die ursprüngliche Ditib-Forderung lautete sogar, Islam-Lehrer an rheinland-pfälzischen Schulen müssten eine Ditib-Lehrerlaubnis besitzen.“ Link: http://www.swr.de/swraktuell/rp/einblicke-in-die-islamische-verbandswelt-was-verraten-die-gutachten/-/id=1682/did=18564636/nid=1682/171p5sm/

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