Kunstgeschichte

Skulpturen bei Alfred Flechtheim

Von Elfriede Maresch

Der aus Nidda stammende Professor Dr. Ottfried Dascher hat sich nach seiner Pensionierung der Kunstgeschichte zugewandt und eine Biografie über den bedeutenden Kunsthändler Alfred Flechtheim geschrieben, die nun in dritter Auflage erscheinen wird. In seinem jüngsten Werk „Sprung in den Raum – Skulpturen bei Alfred Flechtheim“ rückt er nun die Bildhauer und ihre kleinplastischen Werke, die bei dem Galeristen ausstellen konnten, in den Fokus.

Bildhauer der Klassischen Moderne

Professor Dr. Ottfried Dascher

„Als ich im 66. Lebensjahr pensioniert wurde, kamen von allen Seiten Wünsche und Arbeitsanregungen auf mich zu. Ich aber wollte endlich frei sein für meine Familie und meine Freunde und mir ein eigenes Thema suchen“ – dieser Aufbruch ist dem 1936 in Nidda geborenen Professor Dr. Ottfried Dascher erfreulich gelungen. Bis zur Pensionierung lag der Schwerpunkt seiner Lebensarbeit in der Wirtschaftsgeschichte. Nach dem Geschichts-, Germanistik- und Volkswirtschaftsstudium hatte er die Archivschule Marburg durchlaufen. Er war am Staatsarchiv Marburg tätig, übernahm die Leitung des Westfälischen Wirtschaftsarchivs in Dortmund und schließlich die des Nordrhein-Westfälischen Hauptstaatsarchivs in Düsseldorf. Seiner Heimatstadt ist er durch freundschaftliche Verbindungen wie auch durch regionalgeschichtliche Forschung und Dokumentation treu geblieben. Er ist Herausgeber des Buches „Nidda – Geschichte einer Stadt und ihres Umlandes“ (1992, 2. Auflage 2003).

Als Ruheständler wandte sich Dascher nun der Kunstgeschichte zu. Nach aufwändiger Recherche veröffentlichte er 2011 eine Biografie des bedeutenden deutschen Kunsthändlers Alfred Flechtheim (1878-1937), die im Frühjahr 2018 schon in dritter Auflage erscheinen wird. Im Mittelpunkt stand die Person des leidenschaftlichen Sammlers, der Gemälde und Grafiken weltbekannter Künstler wie Picasso, Braque, Beckmann und anderer Meister der Klassischen Moderne ausstellte. Beide Auflagen der Flechtheim-Biografie stießen neue Fragestellungen an. Dascher: „Über den Gemälden und Grafiken hatte man die Plastik vernachlässigt, die nach eingehenderer Betrachtung verlangte.“

Passend zur Diskussion über Raubkunst

Alfred Flechtheim

Diesem Ansatz hat der Autor mit der neuen Veröffentlichung „Sprung in den Raum – Skulpturen bei Alfred Flechtheim“ Rechnung getragen. Die Bildhauer und ihre kleinplastische Werke, die bei dem Galeristen ausstellen konnten, wurden in den Blickpunkt gerückt. Das Buch kommt zur rechten Zeit, da die aktuelle Diskussion um Themen wie Raubkunst, Rückerstattung, Fälschungen kreist. Dies hat die Bedeutung der Provenienzforschung gestärkt. Auch die Skulpturen wurden erfasst und die Ergebnisse können erneut mit hoher Aufmerksamkeit rechnen. „Sprung in den Raum“ verweise auf die dritte Dimension der Plastiken gegenüber den Gemälden, erklärt Dascher. Das Georg Kolbe Museum in Berlin hat sich von den Vorbereitungen für diese Publikation inspirieren lassen und parallel eine erfolgreiche Ausstellung über Flechtheim und seine Bildhauer gezeigt, die in den Medien bundesweit Beachtung fand.

Dem Herausgeber ist es gelungen, 16 renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem In- und Ausland für eine Forschungspublikation zu gewinnen, die das lange vernachlässigte Feld der Bildhauer und ihrer Beziehung zu Flechtheim aufarbeitet.

Künstler – Werk – Sammler, Kunsthändler

Grundlegend wird die Dreiecksbeziehung „Künstler – Werk – Sammler, Kunsthändler“ dargestellt und zugleich eine Fülle von Details zur künstlerischen Entwicklung, zur wirtschaftlichen und politischen Lage der Dargestellten gebracht.

So begegnet der Leser Großen der Klassischen Moderne wie Picasso, Degas und Maillol. Von dem wachsenden Nationalismus der Epoche blieb Flechtheim gänzlich unberührt. Seine Verbindungen in die französische Kunstszene waren eng und freundschaftlich. Für junge Talente wie dem russisch-jüdischen Künstler Moissey Kogan, dem Schweizer Hermann Haller, dem Österreicher Ernesto de Fiori war Flechtheim eine wesentliche Vermittlerfigur. So auch für Renée Sintenis, deren „Berliner Bär“ am ehemaligen Grenzübergang Dreilinden grüßt und durch die Preisverleihung der Berliner Biennale allgemein bekannt geworden ist. Deutsche Bildhauer wie Barlach, Belling, Kolbe, Lehmbruck und Marcks wurden von Flechtheim gefördert, privat gesammelt und in Düsseldorf und Berlin ausgestellt. Zu ihnen gehört auch Arno Breker. Während dieser im sogenannten Dritten Reich eine fragwürdige Karriere als „Staatsbildhauer“ macht, wird der von ihm 1929 porträtierte Kogan in Auschwitz ermordet. Flechtheim verstarb 1937 in der Emigration in London, seine Ehefrau Betti wählte 1941 in Berlin den Freitod, als sie in ein Vernichtungslager deportiert werden sollte. Die erlesene Kunstsammlung ist heute in alle Winde verstreut. Ihr Verbleib muss mühsam rekonstruiert werden. Vorrangig geht es in Daschers Buch um Kunst, tatsächlich tut sich aber auch ein zeitgeschichtliches Panorama auf.

Das Buch „Sprung in den Raum – Skulpturen von Alfred Flechtheim“ von Ottfried Dascher (Herausgeber) ist 2017 bei Nimbus, Kunst und Bücher AG erschienen und hat die ISBN-Nummer 978 – 3 – 03850-023-0. Es kostet 29,80 Euro.

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