Kühe nach der Kalbung

Mehr Milch mit Aspirin

Von Michael Schlagkuh1

Werden Kühe nach der Kalbung mit Aspirin gefüttert, steigt die Milchmenge um fünf Kilogramm. Das hat Professor Klaus Eder vom Institut für Tierernährung und Ernährungsphysiologie der Universität Gießen herausgefunden.

Überraschende Entdeckung

Eder
Professor Klaus Eder (Fotos: Schlag)

Kühe durchleben nach der Geburt eines Kalbes eine schwierige Zeit: Die Milchproduktion kommt in Gang, der Körper stellt seinen Stoffwechsel um, die Geburt selber war eine hohe Belastung. Hauptursache für Krankheiten nach der Kalbung ist nach bislang gültiger Auffassung die sogenannte „negative Energiebilanz“ in dieser Zeit – die Tiere verbrauchen mehr Energie als sie so schnell aus dem Futter holen können und sie bauen Reserven ab. Doch möglicherweise hat der Stress nach der Kalbung eine andere Ursache. So jedenfalls Prof. Klaus Eder vom Institut für Tierernährung und Ernährungsphysiologie der Universität Gießen. Eder präsentierte kürzlich auf dem „Gießener Rindergesundheitstag“ neue wissenschaftliche Erkenntnisse dazu. Zunächst wies seine Forschungsgruppe nach: Den zeitweiligen Energiemangel können die Kühe ohne Probleme verkraften. Ursache für Krankheiten nach der Geburt des Kalbes sind vielmehr Entzündungen im Körper, hervorgerufen durch die hohe Belastung und durch Zellschädigungen. Belegen konnten das die Gießener Forscher anhand der Aktivität spezifischer Gene in der Leber, die für die Bildung von Entzündungsproteinen verantwortlich sind.

Kühe haben weniger infektiöse Krankheiten

Was die Erkenntnis für die Fachwelt so interessant macht: Das KuhProblem ist sehr einfach zu lösen. Gibt man Kühen während der ersten fünf Tage nach der Geburt jeweils 15 Gramm Aspirin, dann sind ihre Leberfunktionen besser, sie haben weniger infektiöse Krankheiten – und sie geben mehr Milch. Prof. Eder: „Wenn man Kühen nach der Abkalbung Aspirin füttert, steigt die Milchmenge um fünf Kilogramm.“ Dieser Effekt ist anhaltend und ist noch zwei Monate nach der Geburt zu sehen. Umgerechnet auf die ganze Zeit heißt das: Fünf Aspirin bringen 300 Liter Milch. Der gleiche Effekt wurde auch mit anderen Entzündungshemmern beobachtet, wie dem auch in der Humanmedizin verwendeten Meloxicam. „Eine Gabe Meloxicam oder prophylaktisches Aspirin, dann geht es den Kühen 50 Tage besser“, sagt der Experte für Physiologie, und er wäre nicht dagegen, die Methode in der Milchviehhaltung einzuführen. In dieser Zeit bestehe auch keinerlei Risiko für die Lebensmittel, denn die Milch der ersten Tage – das dicke, etwas gelbliche Kolostrum – bekommen ja ohnehin nur die Kälber, diese Milch geht nie an die Molkerei. Allerdings: Die vorbeugende Gabe von Medikamenten ist in der Tierhaltung nicht zulässig. Für Friedhelm Schneider, früherer Präsident des Hessischen Bauernverbandes, ist das nicht einzusehen: „Jeder Mensch nimmt bei Kopfschmerzen ein Aspirin, nur bei den Kühen ist es verboten.“

Die Gießener Forscher sehen aber einen anderen Weg, die schädlichen Entzündungen nach der Geburt auch ohne Medikamente einzudämmen. Sie setzen dabei auf Polyphenole, das sind pflanzliche Inhaltsstoffe, die vermehrt in Rotwein und in Traubentrester vorkommen. Ihre anti-entzündliche Wirkung ist beim Menschen und in Tierversuchen mit Ratten bereits nachgewiesen. Fütterungsversuche der Uni Gießen zeigten jetzt, dass bei Zumischung von einem Prozent Traubentrester in das Rinderfutter die Aktivität der Entzündungsgene in der Leber in den Wochen nach der Geburt deutlich niedriger ist, teilweise auf die Hälfte sinkt. Und auch hier dankten es die Kühe mit anhaltend mehr Milch. Polyphenolhaltige Fütterungszusätze haben dabei gegenüber dem pharmazeutischen Aspirin einen großen Vorteil, sagt Prof. Klaus Eder: „Das wäre sofort in der Praxis umzusetzen“.

4 Gedanken zu „Kühe nach der Kalbung“

  1. Den Artikel im Landboten ohne ein einziges kritisches Wort abzudrucken, ist schon ein starkes Stück. Er passt besser in ein Organ des Bauernverbandes, der wohl für die Großbauern spricht.
    Die Milchleistung der Kühe ist eh schon in aberwitzige Höhen geschraubt. Lag sie bis vor wenigen Jahrzehnten bei 10 Liter/Tag, sind es heute um die 20 Liter/Tag. Und die Tiere bekommen eh schon vorbeugend viel zu viel Pharmazeutika. Ein Dauerthema, weil es auch die Menschen tangiert, die durch Verzehr gegen die Mittel resistent werden. Aber auch die Gabe von pflanzlichen Mitteln, wie sie im Trester vorkommen, wird mit der vorherrschenden Ideologie begründet: Mehr, höher, schneller, weiter. Hier also noch mehr Milchleistung. Eine Kuh ist keine Maschine. „Die industrielle Landwirtschaft sieht im Nutztier eine Maschine, dessen Leistung man hochjagen kann..“ (aus Hermann und Kira Vinke, Zivilcourage, Seite 191

    1. Das war ja unvermeidlich. Aber ein wenig Ordnung möchte ich als Autor des Artikels doch noch hereinbringen. Kühen nach der Kalbung kurzeitig Aspirin zu geben, um Entzündungen und Geburtsstress zu verringern, ist eine überraschend einfache Therapie. In Gießen gelang mit molekulargenetischen Methoden jetzt zum ersten Mal der Nachweis, wie es im Organismus funktioniert. Das war der Anlass für die Geschichte.
      Die meisten Leser dürften schon einmal Aspirin genommen haben; wer von Arthrose geplagt ist, kennt auch das andere erwähnte Medikament Meloxicam. Menschen selbst nehmen beides millionenfach. Wenn man das einmal im Jahr einer Kuh gibt, wo sollen da Resistenzen entstehen.
      Trester, das ist der Traubenrückstand nach der Weinpressung. Menschen trinken Wein, Kühe fressen Trester, wo ist denn da eine vorherrschende Ideologie.

    2. Es wird diskutiert, wie man die durch die Leistung der Kuh (das Abkalben) hervorgebrachten Gesundheitsschäden mindern kann, nicht wie man die Kuh schädigt, um mehr Profit aus ihr zu schlagen. Wenn natürliche Futterzusätze zur Gesundheit der Kuh beitragen können, ist das etwas Gutes, für alle. Eine höhere Leistung daraus ist der Effekt, der die Kosten dafür rechtfertigt.

  2. Es ist interessant, dass Aspirin auf Milchmenge so auswirkt. Aspirin ist auf jeden Fall eine gute Methode der Milchviehhaltung und auch als Medizin gegen Entzündungen der Kühe. Danke für den Beitrag über die Tierhaltung!

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