Opfer des Holocaust

Neues Denkmal in Bad Nauheim

Von Petra Ihm-Fahle

Eine Tafel mit 278 Namen, eine Bank aus Bronze und ein Mantel mit Judenstern: Holocaust-Denkmal2In Bad Nauheim wurde jetzt das Holocaust-Denkmal enthüllt, für das Bürger und Institutionen innerhalb eines Jahres über  40 000 Euro spendeten. Das Denkmal ist eine Initiative der Bad Nauheimer AG Geschichte und der Bürgerstiftung „Ein Herz für Bad Nauheim“.

Denkmal für Opfer des Holocaust

Geschaffen hat das Kunstwerk, das eine Parkbank aus Bronze darstellt, Prof. Dr. Peter Schubert aus Friedberg.  Viel Betrieb herrschte, als das Holocaust-Denkmal am Rande des Kurparks enthüllt wurde. Seit Frühjahr 2015 hatte die Bürgerstiftung „Ein Herz für Bad Nauheim“ Spenden für das Projekt eingeworben, das auf eine Initiative der Bad Nauheimer AG Geschichte zurückgeht. Eine Projektgruppe der AG Geschichte ermittelte 278 Menschen, die aus Bad Nauheim deportiert und ermordet wurden. Ihre Namen und Schicksale finden sich auf einer Webseite, die Dr. Thomas Schwab erstellte.

Holocaust-Denkmal
Das Holocaust-Denkmal steht am Rande Bad Nauheimer Kurparks an der Parkstraße. (Fotos: Petra Ihm-Fahle)

Bei der Einweihung begrüßte Hans-Günter Patzke (AG Geschichte) die Zuhörer, ehe Armin Häfner (Präsident Bürgerstiftung) auf die Symbolik der Parkbank einging: Während des Dritten Reichs habe es  Anordnungen in Deutschland gegeben, nach denen sich Juden nicht auf Bänke setzen durften.

Die Idee einer Bank aus Bronze kam vom Künstler Peter Schubert aus Friedberg, der nach einer Lösung gesucht hatte, die zum Ort passt. Er fügte einen Mantel als Symbol für die verlorene schützende Hülle hinzu. Um die Namen der Opfer anzubringen, war ein Stein erforderlich, wobei sich Schubert für Muschelkalk  entschied. Bürgermeister Armin Häuser (CDU) lobte die Initiative, der es in kürzester Zeit gelungen war, 40 000 Euro zu sammeln. Das Denkmal sei wichtig, es sei von hoher Bedeutung, sich zu erinnern, gerade in dieser Zeit,  in der Rechtspopulisten Aufwind hätten. Menschen dürften nicht ausgegrenzt werden, fuhr Häuser fort, jeder Mensch habe das Recht darauf, friedlich zu leben.

Verschleppt und ermordet

Drei Schüler von St.-Lioba- und Ernst-Ludwig-Gymnasium lasen die Namen der Nazi-Opfer vor. Beispielsweise den Leidensweg der Elfriede Abraham, die vermutlich im Hotel Bellevue in der Parkstraße 9 arbeitete. 1941 wurde sie von Trier aus ins Ghetto Lodz verschleppt und ermordet. Oder das Schicksal des Moritz Kahn, der ein Modehaus in der Stresemannstraße 9 betrieb. Er zog mit seiner Frau Martha nach Frankfurt, beide wurden deportiert und umgebracht. Wie Manfred de Vries, der neue Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, unterstrich, war das Verlesen durch junge Menschen wichtig.  Mit dem Denkmal blieben dieOpfer nun in Erinnerung, „sie haben hier wirklich gelebt“, unterstrich de Vries, bevor er das Kaddisch vortrug und sich verneigte.Holocaust-Denkmal6

Die Zuhörer waren bewegt. „Dieses Denkmal ist wichtig und richtig“, sagte Petra Albrecht-Vogt (Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit) zum Neuen Landboten. „Es macht betroffen“, erklärte SPD-Fraktionsvorsitzender Axel Bertrand. Und Karl-Wilhelm Mohr aus Bad Nauheim, der sich das Denkmal etwas später beim Spaziergang anschaute, sagte: „Ausgesprochen gelungen. Etwas zu spät, aber beeindruckend.“ Seine Frau Rosemarie fügte hinzu: „Sehr dezent, aber das macht es gerade aus.“

Die Webseite

http://www.holocaust-erinnerungsmal-badnauheim.com/

kann man auch per QR-Code am Denkmal aufrufen. Dort gibt es Informationen zu den Schicksalen der aus Bad Nauheim vertriebenen und ermordeten Menschen.

 

Ein Gedanke zu „Opfer des Holocaust“

  1. Es ist ein berührendes und zugleich irritierendes Denkmal. Der einsame Mantel auf der Parkbank am Kurpark.

    Das Denkmal und der Mantel lösen Gedanken und Fragen aus:

    Die Bad Nauheimer Juden mussten sehr viel mehr zurücklassen, als ihren Mantel.

    Es sei erinnert an die rechtliche und faktische Enteignung jüdischen Eigentums in Bad Nauheim, ihre Ausschaltung aus dem Wirtschaftsleben der Stadt. Es sei erinnert an das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom April 1933, an den Erlass des „Reichsbürgergesetzes“ 1935, das Pogrom der „Reichskristallnacht“ 1938, unmittelbar darauf folgend die „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben“. Das Vermögen emigrierter und deportierter Juden „verfiel dem Reich“ – ein weiteres Indiz, wonach der endgültige „Führerbefehl“ zur Vernichtung der Juden in just diesen Zeitraum fällt: Da schon die Ausrottung beschlossene Sache war, stand der Enteignung nun definitiv nichts mehr im Wege.

    Zum Beispiel: Was wurde aus dem Vermögen des Kaufhauses Straus in der Alicen-Straße; was wurde aus dem Vermögen des Jüdischen Altersheim in der Frankfurter Straße 63/ 65; was aus dem der Jüdischen Bezirksschule in Bad Nauheim in der Frankfurter Straße 103? Was wurde aus dem Vermögen der Familie Wolf, die in der Stresemannstraße 34 ein Geschäft für Herren- und Damenmoden führten? Was wurde aus dem Vermögen von Gustav Wolf, der in der Stresemannstraße 26 ein Kaufhaus für Damen- und Herrenbekleidung hatte.
    Was wurde aus dem Vermögen der Familie Witiwker, die in Berlin und in Bad Nauheim in der Reinhardstraße 1-3 wohnten und einen Weinhandel betrieben. Was wurde aus dem Vermögen des Antiquars und Fruchthändlers Louis Löb, der mit seiner Familie in der Stresemannstraße 28 wohnte? Und wer eignete sich das Vermögen der Familie Goldschmidt an, die in Bad Nauheim in der Karlstraße 26 wohnte und dort ein Versandhaus für Manufaktur, Mode und Weißwaren hatte? Das sind nur einige wenige Namen und Personen. (Quelle: Dr. Thomas Schwab, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Geschichte Bad Nauheim)

    Man wüsste schon mehr über die Details der Gesinnungslosigkeit, mit der sich Männer und Frauen aus Bad Nauheim, die wahrscheinlich nicht einmal stramme Nazis waren, an jüdischem Eigentum vergriffen.

    Peter Hartung, Nidda

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