Hausbau im Ballungsraum

Hier wohnte man schon in der Steinzeit

Von Klaus Nissen

In Wöllstadt wird das nächste Baugebiet vorbereitet – weitere sind in Sicht. Am Nordrand von Ober-Wöllstadt wachsen bald 80 Wohnhäuser auf mehr als vier Hektar. Die Nachfrage ist  im Ballungsraum nördlich von Frankfurt aber viel größer. Man muss über weitere Bauflächen nachdenken, sagt der Bürgermeister.

Hausbau im Ballungsraum

Schon jetzt liegen Erdhaufen und planierte Flächen auf dem Südtteil des 4,5 Hektar großen Neubaugebiets am Nordrand von Ober-Wöllstadt. Hier untersuchen Archäologen momentan bis zu 7300 Jahre alte Siedlungsspuren. Foto: Nissen

Der Bebauungsplan steht. Die Gemeindevertreter der Gemeinde  Wöllstadt südlich von Friedberg haben ihn am 26. September 2017 einstimmig gebilligt. Im Frühjahr 2018 beginnt die Erschließung des 4,5 Hektar großen Ackers am Nordrand von Ober-Wöllstadt. Zwischen dem Friedhof und dem Betonweg nach Friedberg werden dann Leitungen für Strom, Wasser und Abwasser verlegt. Vier neue Straßen wird es geben, an denen sich 80 Baugrundstücke reihen. Etwa im Herbst 2018 können die ersten Rohbauten wachsen, schätzt Bürgermeister Adrian Roskoni. Zunächst im tiefer liegenden Südteil an der Marienstraße, später auch weiter oben am Hang in Richtung Friedberg.

Geplant ist der Bau von Einzel- und Doppelhäusern mit kleinen Gärten und maximal drei und vier Wohnungen je Haustyp. So entstehen also etwa 200 Wohnungen in den maximal dreistöckigen Häusern, die entweder Walmdächer oder an allen vier Seiten zurückgesetzte Staffelgeschosse bekommen. Das ist nach aktuellen Maßstäben keine besonders dichte Bebauung.

Die Archäologen haben die oberste Ackerschicht abgeschält und ziehen nun Schnitte, um Verfärbungen zu finden, die Gräber, Gebäude oder Abfallgruben hinweisen. Die ältesten Zeugnisse menschlicher Besiedlung stammen ungefähr aus dem Jahre 5300 vor Christus. Ab 2019 werden dort wieder Menschen leben. Foto: Nissen

In diesem Ortsteil für bis zu  400 Menschen sollen die Wohnzimmer nach Süden ausgerichtet sein und einen Blick auf die Frankfurter Skyline ermöglichen. Solaranlagen auf den Dächern sind erwünscht, heißt es im Bebauungsplan. Die Grundstücke dürfen nur minimal versiegelt sein. Auf diesem Areal wohnten übrigens schon vor 7000 Jahren Menschen, fanden die Archäologen heraus, die dort gerade Sondierungs-Grabungen machen. Der Kreis-Archäologe Jörg Lindenthal erwartet keine materiell wertvollen Fundstücke, aber Erkenntnisse über die frühere Siedlungsstruktur in der schon immer dicht bevölkerten Wetterau. Gefunden habe man bislang Abfallgruben und Pfostenlöcher, auch Reste von Gräbern aus der Zeit vor Christi Geburt.

Das Baugebiet  liegt neben einem alten Bildstock aus Sandstein. Unter dem Kreuz wird dort die Jungfrau Maria mit dem Jesuskind ab 2019 direkt auf den neuen Kindergarten schauen. Die Gemeinde baut ihn für mindestens 1,2 Millionen Euro mit mindestens drei Gruppenräumen – denn es gibt immer mehr kleine Kinder in diesem noch 2600 Einwohner zählenden Dorf  im Rhein-Main-Ballungsraum. Der katholische Kindergarten wird sich zukünftig um Kinder unter drei Jahren kümmern; der neue ist für die drei- bis sechsjährigen Nachwuchs-Wöllstädter vorgesehen.

Vorerst in der Schublade verschwand dieser Grundriss für neue Wohnhäuser am Friedhof von Nieder-Wöllstadt. Den Gemeindevertretern war die Bebauung zu dicht. Es könnte auch Konflikte zwischen Neubürgern und Alteingesessenen geben, war im Ort zu hören. Foto: Nissen

Die Interessentenliste für die Grundstücke am Bildstock enthält schon viermal so viele Namen wie verfügbare Grundstücke, sagt Bürgermeister Roskoni. Vorne steht, wer verheiratet ist, Kinder hat, aus Wöllstadt stammt und bisher kein eigenes Land hat. Viele sind bereit, um die 300 Euro pro Quadratmeter Bauland zu zahlen, weil sie verzweifelt ein Heim  in der Nähe des Arbeitsplatzes suchen.

Keine Einfamilienhäuser mehr, sondern Geschosswohnungsbau war in diesem Investoren-Entwurf aus dem Jahr 2016 für Nieder-Wöllstadt vorgesehen. Die letzte Baulandreserve der Gemeinde soll dichter bebaut werden als gewohnt. Foto: Nissen

Deshalb kommt Wöllstadt nach Roskonis Einschätzung nicht darum herum, nach weiterem Bauland Ausschau zu halten. „Wir liegen eben an einer Entwicklungsachse“, sagt er. Auch  Karben, Rosbach und Friedberg wachsen und verlieren zunehmends ihren dörflichen Charakter. Am Nordrand Nieder-Wöllstadts sind die meisten der 75 neuen Häuser im Baugebiet „Weingärten II“ inzwischen bezogen. Dort soll noch vor Jahresende auch das erste Pflegeheim der Gemeinde in Betrieb gehen. Und auf der anderen Straßenseite wird gerade die Baugrube für den ersten Lebensmittel-Supermarkt von Rewe in der Gemeinde ausgehoben. Vielleicht werde der Rohbau auf dem  früheren Parkplatz des Sportgeländes noch vor Weihnachten ein Dach bekommen, kündigte Roskoni vor den Gemeindevertretern an.

Bald geht die Bauland-Suche wieder los

Und dann? Nur noch ein Wöllstädter Gelände ist im Flächennutzungsplan für Neubauten vorgesehen. Vor einem Jahr stellten Investoren aus Aßlar bei Gießen ihre Pläne für den vier Hektar großen Acker am Nieder-Wöllstädter Ortsrand in Richtung Ilbenstadt vor. Dort wollen sie gut 19 000 Quadratmeter Wohnfläche in 200 Wohnungen schaffen. In die Bauabschnitten denken sie an jeweils dreistöckige Baukörper mit begrünten Flachdächern, Aufzügen, rollstuhlgerechten Türen und Bädern, Tiefgaragen und einem Teich oder einer Versicherungsfläche für das Regenwasser. Beheizt würden sie durch ein Blockheizkraftwerk. Zwischen den Häusern mit Eigentums- und Mietwohnungen soll eine parkartige, gemeinsam nutzbare Landschaft mit Spielflächen für Kinder liegen. Doch im Gemeindeparlament stießen diese Pläne für ein wachsendes Wöllstadt auf so viel Unbehagen, dass sie wieder in der Schublade landeten – vorerst. Zweifelhaft ist, ob sie angesichts des Siedlungsdrucks dort bleiben. Und im Jahr 2020 wird der Flächennutzungsplan aktualisiert. Dann stehen die Wöllstädter wieder vor der Frage, wo sie noch bauen können und müssen.

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