Hanflabyrinth

Fluchtwege in Niederweimar

Mit Flucht und Migration beschäftigt sich der Verein Motivés in der vierten Auflage seines Hanflabyrinths. Der neue Erlebnisparcours im Hanffeld wird am Sonntag, 25. Juni 2017 in Niederweimar eröffnet.

Warum Menschen fliehen

„Was veranlasst Menschen ihre gewohnte Umgebung zu verlassen? Welchen Gefahren sind sie in ihrer Heimat und auf der Flucht ausgesetzt? Welche Wege müssen sie beschreiten und welche Hindernisse überwinden? Wo und unter welchen Umständen finden sie Schutz? Das sind Fragen, zu denen die Ausstellung “Hanflabyrinth auf Fluchtwegen” aus unterschiedlichen Blickwinkeln Antworten geben will“, schreibt der Verein Motives in seiner Pressemitteilung zur Hanflabyrintheröffnung.

In vielen Teilen der Welt seien Menschen Opfer von Krieg, Armut und Perspektivlosigkeit, Gewalt und Verfolgung. Über 65 Millionen Menschen seien derzeit auf der Flucht. Seit dem Zweiten Weltkrieg sei die Zahl der Vertriebenen nie mehr so hoch gewesen. Das Thema Flucht und Migration sei dabei sehr vielschichtig und emotional aufgeladen. Deshalb habe sich der Verein zum Ziel gesetzt, Hintergründe und Zusammenhänge zu beleuchten und aufzuzeigen, wie die Situation in den Kriegs- und Krisengebieten sei und was entlang der Fluchtrouten geschehe. Die Ausstellung gibt Einblicke in Fluchtbiografien und die schwierigen undvielfältigen Wege von Geflüchteten und ihren Familien. „Denn jede Flucht hat ihre eigene Geschichte und ihr eigenes Gesicht“, so Motivés.

Vogelperspektive aufs Hanffeld (Foto: Matthias Rueb)

Auf dem knapp 2,5 Hektar großen Feld sind zehn interaktive Stationen angelegt. Insgesamt können in dem Irrgarten mehr als drei Kilometer Wegstrecke beschritten werden. Wie viele es letztendlich
sind, hängt ganz davon ab, für welchen Weg man sich entscheidet.
Es werden immer wieder spezielle Veranstaltungen im Hanflabyrinth angeboten. Geplant sind unter anderem Vorträge, Openair Kino und Workshops zur Verarbeitung von Hanf. Auf der Homepage gibt es Informationen dazu.

Das Hanflabyrinth ist Teil des Regionalen Bildungsangebots für Nachhaltigkeit und globales Lernen des Vereins Motivés statt. Gefördert wird das Angebot von Engagement Global,dem hessischen Wirtschaftsministerium, dem evangelischen Entwicklungsdienst/ Brot für die Welt,der Stadt Marburg und dem Solidaritätsfonds der Hans Böckler Stiftung.

Drei Monate lang soll der Parcours der Öffentlichkeit zugänglich sein. In der Ferienzeit (1.7. bis 13.8.2017 ) ist das Labyrinth donnerstags bis sonntags und außerhalb der Ferienzeit (14.8. bis 24.9.) jeweils an samstags und sonntags geöffnet. Zusätzlich zu den Öffnungstagen bietet der Verein unter der Woche Führungen für Schulklassen und Jugendgruppen an. Informationen zur Anmeldungen finden sich auf der Homepage des Projektes www.hanflabyrinth.org .Kinder ab 6 Jahren zahlen 1 Euro, Jugendliche ab 12 Jahren 2 Euro und Erwachsene 4 Euro.

 

Interview mit Lucas Beckhaus, Manuel Kästner, Thorsten Renz und Petra Firnkes vom Verein Motivés e.V.

Weshalb hat sich euer Verein für die Pflanze Hanf entschieden?

Manuel Kästner: Hanf ist eine sehr nachhaltige Pflanze mit vielseitigen Einsatzmöglichkeiten. Jenseits der medizinischen Nutzung kann Hanf für die Lebensmittelproduktion, Faser-und Textilherstellung und auch zur Energiegewinnung genutzt werden. Das faszinierende an Hanf ist sein schneller und hoher Wachstum. In der Vergangenheit hatten wir Pflanzen mit einer Höhe von 3 bis 4 Metern. Das ist schon sehr beeindruckend. Und außerdem benötigt er keinerlei Pflanzenschutz oder Düngemittel. Eigentlich ist er eine perfekte Nutzpflanze, die leider viel zu wenig angebaut wird. Wir hoffen mit unserem Projekt auch in diese Richtung Impulse zu setzen und den Hanf als attraktive Nutzpflanze auch für Landwirte sichtbar zu machen.

Warum beschäftigt sich der Verein mit dem Thema Flucht?

Manuel Kästner: Dass wir das Thema Flucht in dem Hanflabyrinth umsetzen wollten, besteht eigentlich schon seit 2011. Die Entwicklungen von 2015, die das Thema wieder verstärkt in die öffentliche Wahrnehmung gebracht haben, haben uns in dieser Hinsicht überrollt. Für uns ist die Auseinandersetzung mit dem Thema Flucht aus verschiedenen Gründen essentiell. Zum einen sind an diese Diskussion die Schicksale von Menschen geknüpft. Menschen, die sich auf der Suche nach Schutz oder einer Möglichkeit zum Überleben befinden. Welche Gründe sie im einzelnen bewegen ist uns dabei gleich. Jeder Mensch muss das Recht haben, sich entscheiden zu können wo und wie er sein Leben gestalten will. Auf der anderen Seite ist mit diesem Thema ganz stark auch unsere Verantwortung verknüpft. Begonnen mit der Ausbeutung ganzer Weltregionen während der Zeit des Kolonialismus und fortgesetzt in der Gegenwart durch eine Welthandelsstruktur, die den Ländern des globalen Südens kaum eine Chance gibt, sich nach ihren Vorstellungen zu entwickeln. Auch an den Kriegen, die zahlreiche Menschen aus ihrer Heimat vertreiben haben wir in der einen oder anderen Form teil, Deutschland beispielsweise ist ganz vorne dabei, bei den globalen Waffenhändlern. Dies ist eine sehr bedrückende Tatsache. Und zu guter Letzt ist in zunehmendem Maß unser Lebensstil mit der Flucht von Menschen verknüpft. Nämlich genau dann, wenn sich auf Grund des Klimawandels die Lebensbedingungen in einzelnen Weltregionen derart verschärfen, dass Menschen um ihre Sicherheit oder Überleben fürchten. Schon heute treibt der Klimawandel Menschen in die Flucht, viele gewaltsame Konflikte sind Auseinandersetzungen um knapper werdende Ressourcen wie fruchtbarer Boden oder Wasser. Dies alles hängt mit einander zusammen.

Welche Lösungsvorschläge sind in der Ausstellung zu finden?

Thorsten Renz: Wir haben es eigentlich konsequent vermieden, in der Ausstellung Lösungen vorzugeben. Wir bieten vielmehr einen empathischen Zugang zu dem Thema und wollen Verständnis und Bewusstsein schaffen. Die Lösungen müssen dann in den Köpfen der Besucher*innen selber wachsen. Das braucht zuweilen auch einiges an Zeit und noch weiterer Impulse. Wir würden uns auch schon sehr freuen, wenn wir mit unserer Ausstellung das Interesse an den hier lebenden Geflüchteten fördern und Menschen auf einander zugehen und sich miteinander austauschen.

Was haben Schulklassen bei einer Führung zu erwarten?

Lucas Beckhaus: Bei unseren Führungen beschäftigen wir uns mit den Klassen für drei bis vier Stunden intensiver mit den Themen des Labyrinths und unserer eigenen Verantwortung im Umgang mit dem Thema Flucht. Unser Ziel ist es mit den Gruppen ins Gespräch zu kommen und den Raum für einen konstruktiven Austausch zu bieten. In kleinen Übungen beschäftigen wir uns unter anderem mit Privilegien, die wir als Europäer haben und sprechen über Möglichkeiten sich aktiv für und mit Geflüchteten einzusetzen. Das Labyrinth dürfen die Schüler*innen dann in Kleingruppen selbst erkunden. Jede Kleingruppe bekommt dafür ein Thema mit dem sie sich auseinandersetzen. Am Ende kommen wir dann im Plenum zusammen und alle dürfen über ihre Erfahrungen zu ihren Themen berichten.

Für wenn wurde die Ausstellung konzipiert?

Lucas Beckhaus: An der Ausstellung haben wir seit letzten Oktober gearbeitet. Die Gruppe umfasste phasenweise 5 Personen, das war schon ein spannender Prozess. Unterem Strich sind wir eigentlich ganz zufrieden mit dem Ergebnis. Eine richtige Zielgruppe für die Ausstellung gibt es eigentlich nicht. Unser Ziel war es Menschen im Raum Marburg zu erreichen, die Interesse daran haben sich mit dem Thema Flucht auseinanderzusetzen. Deswegen haben wir die Ausstellung so gestaltet, dass man sich auf möglichst vielfältige Weise damit beschäftigen kann. Neben den Texten, die auf Tafeln im Labyrinth verteilt sind, kann man sich einige Inhalte auch anhören oder durch interaktive Spiele erfahren. Für diejenigen, die sich auch nach dem Besuch im Labyrinth weiter mit dem Thema beschäftigen möchten, haben wir noch ein Begleitheft in dem wir weiterführende Informationen gesammelt haben. Außerdem kann man mit unseren Teamern und Teamerinnen auch immer das Gespräch suchen um sich über die Themen auszutauschen. Wir hoffen es ist für alle was dabei.

Welche Erfahrungen wurden in der Vergangenheit mit dem Hanflabyrinth gemacht?

Manuel Kästner: Unsere Erfahrungen waren eigentlich durchweg gut. Das Konzept kam bei den Besucher*innen immer sehr gut an. Wenn wir also eine Bilanz ziehen, kann gesagt werden das alle drei bisherigen Durchläufe sehr erfolgreich waren. Die letzten beiden Jahre hatten wir jeweils um die 6000 Besucher*innen an den Öffnungstagen gezählt, was unsere Erwartungen bei weitem übertroffen hat. Es hat sich gezeigt, das ein Lernort durchaus erlebnisorientiert sein darf und das die Pflanze Hanf, das Interesse an unserem inhaltlichen Angebot stärkt. Die Rückmeldungen und Gespräche bestätigen dies. Auch die Ehrenamtlichen, die an dem Projekt mitgewirkt haben, zeigten eine sehr hohe Identifikation, was bei einem solchen Projekt sehr wichtig ist, da es sich zeitintensiv gestaltet.

Was für ein Verein ist Motivés e.V. und was macht der Verein sonst noch so?

Petra Firnkes: Unser Verein wurde 2007 gegründet, feiert also dieses Jahr seinen 10. Geburtstag. Angefangen haben wir mit der Intention uns auf verschiedenen Ebenen der globalen Gerechtigkeit und des solidarisches Handelns zu engagieren. Wir haben uns anfangs stark im Bereich internationaler Solidaritätsarbeit bewegt, ein Fokus lag auf dem Kampf der zapatistischen Bewegung, welche sich in Chiapas/Mexiko für die Rechte der indigenen Bevölkerung Mexikos, aber auch generell gegen neoliberale Wirtschaftspolitik und für autonome Selbstverwaltung einsetzt. Auch wenn dies sehr lokale Kämpfe in einer fernen Welt schienen, waren diese eng mit der globalisierten Welt verknüpft und boten uns viele Ansätze selbst von diesen zu lernen. Dieser Ansatz begleitet uns in all unseren Projekten, die wir seit dem auf die Beine gestellt haben. Dazu gehört zum Beispiel das Filmfestival Globale Mittelhessen, welches wir gemeinsam mit zahlreichen anderen Initiativen und Gruppen der Region jährlich veranstalten. Auf dem Festival zeigen wir vor allem Dokumentarfilme, die sich mit globalen Problemfeldern oder mit sozialen Kämpfen weltweit beschäftigen. Ein weiteres Projekt, welches wir seit 2013 in der Region etabliert haben, ist das Globale Schulkino. Wir laden in diesem Projekt Schulklassen und Jugendgruppen dazu ein, sich mit Dokumentarfilmen zu globalen Themen auseinanderzusetzen und sich selbst dazu zu positionieren. Neben Filmgesprächen mit Expertinnen und Experten oder Filmschaffenden bieten wir auch Workshops an, die die Filminhalte vertiefen. Das Projekt erfreut sich einer sehr guten Ressonanz in der Region und wird über das ganze Jahr hinweg von Schulklassen gebucht.

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