Ältestes Karussell

Nach 80 Jahren dreht es sich wieder Karussell Wilhelmsbad (3)

Mächtigen Donner und eindrucksvolle Blitze steuerte der Wettergott am 22. Juli  2016 zur historischen Wieder-Inbetriebnahme des wohl ältesten Karussells der Welt bei. Das technische Kleinod dreht sich jetzt wieder im Park von Wilhelmsbad bei Hanau.

Ältestes Karussell der Welt

Karussell Wilhelmsbad (1)
Die mehr als hundert Jahre alten Karussell-Pferde haben wieder Arbeit. Foto: Nissen

Die Hessen können sich was leisten. Nicht weniger als 4,6 Millionen Euro ließen sie springen, damit sich endlich wieder das Pferde-Karussell der Hanauer Grafen dreht.  Die Maschinerie war seit etwa 1929 kaputt. Seit 18 Jahren sammelte ein Förderverein für die Reparaturen – 1,2 Millionen Euro kamen so zusammen. Weitere 400000 Euro gab die Stadt Hanau – und das Land Hessen spendierte drei Millionen. Es gab Applaus, als der Kunst- und Kulturminister Boris Rhein am Freitag, dem 22. Juli die Rede zur Wieder-Eröffnung des Karussells hielt. Kurz darauf zog ein mächtiges Gewitter auf, und viele Besucher des Volksfestes am gräflichen Arkadenbau flohen in die Sonderausstellung zur Geschichte des Karussells.

Treffpunkt der Elite

Um 1770 ließ der Graf vom Hanau ein Lustschloss im Wald zwischen Mittelbuchen und seiner Residenzstadt errichten. Man hatte dort eine Solequelle gefunden, an der sich die Reichen und Berühmten jener Zeit laben konnten. Die Adlingen und Patrizier promenierten im Park, dinierten in Arkadensaal und ergötzten sich an einer künstlichen Burgruine. Das Geld für den Bau des Elite-Treffpunks hatte der Graf durch den Verkauf seiner Untertanen verdient. Er ließ sie als Söldner in englischen Diensten gegen die amerikanischen Freiheitskämpfer antreten und reihenweise sterben.

Karussell Wilhelmsbad (2)
Premierengäste in Wilhelmsbad: Die bessere Gesellschaft von Hanau wusste sich schon immer angemessen zu kleiden. Foto: Nissen

In der Gestalt eines griechischen Rundtempels ließ Erbprinz Wilhelm I. anno  1779 das Karussell in Wilhelmsbad erbauen. Die Antriebs-Maschinerie versteckte der Baumeister Franz Ludwig von Cancrin im künstlichen Hügelsockel: Männer drehten den vertikalen Balken, an dem der bewegliche Ring im Tempelrund aufgehängt war.  Das Karussell mit seinen Holzpferden drehte sich mehr als 70 Jahre lang – auch dann noch, als die Mineralquellen von Wilhelmsbad längst versiegt waren.  Für eine Fahrt waren 24 Kreuzer zu berappen, heißt es in der Chronik – ein ganzer Arbeiter-Tageslohn.

Ab 1866 beschädigten preußische Soldaten, später auch französische Kriegsgefangene das Karussell. Es verfiel. Ende des 19. Jahrhunderts wäre es beinahe abgebrochen worden – doch einflussreiche Bürger aus Hanau protestierten. Bis 1929 soll das Karussell dann noch in Betrieb gewesen sein. Dann klemmte der Mechanismus, er senkte sich ab  und streikte endgültig.  Die zwölf Karussellpferde wurden 1976 gestohlen, aber bald wieder gefunden. In den letzten Jahren blieb das Karussell hinter Holzplatten verborgen, während der Förderverein fleißig Spenden für die gründliche Reparatur sammelte.  Die ist jetzt gelungen. Und wer Glück hat, ergattert eine Fahrkarte für die fünf bis sieben Sonntage im Jahr, an denen man mit bis zu 1,5 Meter pro Sekunde künftig im Kreis fahren kann.  Die nächsten Fahrten sind für den 11. September und 3. Oktober 2016 geplant.

Mehr auf http://www.karussell-wilhelmsbad.de

Auch das still stehende Karussell ist eine Sehenswürdigkeit – genauso wie der Park und der  der Arkadenbau, hinter dem ein modernes Restaurant mit einer Minigolf-Anlage liegt. Zum Ensemble gehört das mehr als 200 Jahre alte Comoedienhaus, in dem zum Beispiel am 22. September 2016 Anouschka Renzi mit dem Dumas-Schauspiel „Die Kameliendame“ gastiert.  Am 20. Oktober wird Walter Renneisen hier Gedichte und Prosa des von der Pampelmuse geküssten Groß-Dichters Heinz Erhardt vortragen.

Das ganze Programm unter www.comoedienhaus.de

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